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Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Titel: Wendland & Adrian 03 - Nachtauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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auf ein unerwartetes Panorama: Chris sah die von tausend Lampen erhellte Silhouette der Raffinerie, so wie sie auch vor Marios Fenster in der normalen Alltagswelt zu sehen war. Und noch ehe sie sich darüber wundern konnte, sauste sie plötzlich darauf zu, als sitze sie mitten in einem riesigen Zoom-Objektiv. Vor ihr erschien ein großes Gebäude, bei dem es sich vermutlich um die Raffinerieverwaltung handelte. Die nur noch spärlich beleuchtete Glasfront des Büros kam blitzschnell näher. Hinter der größten Fensterfront brannte noch Licht. Und dann befand sich Chris im Inneren des Büros, eines großen Büros, das sie irgendwo schon einmal gesehen hatte.
    Der Mann darin musste Felten sein. Der Raum sah aus wie das Chefbüro und Susanne hatte ihr den Direktor gut beschrieben. In einer Wand befand sich ein Tresor. Felten war gerade dabei, ihn zu öffnen, und plötzlich wusste Chris, wo sie ihn und dieses Büro und den Tresor schon gesehen hatte: In ihrem Traum vor einigen Tagen, dem Traum mit Silver Bears Geist und dem schwarzen Jaguar.
    Die Tür des Tresors schwang auf. Darin stand ein würfelförmiger Koffer. Felten entnahm ihm ein Objekt, beugte sich darüber, schien sich regelrecht daran zu klammern. Jetzt drehte er sich etwas um und Chris sah, was er in Händen hielt: die naturgetreue Nachbildung eines menschlichen Schädels aus einem farblosen, fast durchsichtigen Material. Glas oder Kristall. Aber diesmal gab es keinen schmerzhaften Lichtblitz wie in ihrem ersten Traum. Der Schädel schimmerte lediglich in einem kalten, unheimlich wirkenden Licht. Chris schauderte. Dann sah sie Feltens Gesicht. Eine abgrundtiefe Verzweiflung hatte sich in dieses Gesicht gegraben, so intensiv, dass sie Chris fast körperliche Schmerzen bereitete. Rasch legte Felten das geheimnisvolle Objekt wieder in den Tresor zurück und schloss die Tür.
    Dann setzte er sich hinter seinen Schreibtisch und starrte reglos ins Leere. Plötzlich wurden seine Augen schmal und er nickte wie jemand, der sich in Unvermeidliches fügte. Aus einem Bereich des Büros, den Chris nicht sehen konnte, flog ein Schatten auf Felten zu. Chris stockte der Atem. Es war der schwarze Jaguar. Er landete auf dem Schreibtisch, verdeckte Feltens Körper und Gesicht. Blut schoss hoch wie eine Fontäne. Dann verschwanden alle Bilder, Chris kehrte mit einem Schlag vollständig in Marios Zimmer zurück.
    Und zugleich richtete Mario sich auf. Er starrte sie verstört an. »Onkel Arne! Der Jaguar!« Er sprang vom Bett. »Schnell! Wir müssen zu ihm!«
    Chris rannte hinter ihm her die Treppe hinunter.
    »Was ist los?« Jonas kam mit einer Kaffeetasse in der Hand aus der Küche. Ihr fiel auf, dass er schlecht aussah. Blass.
    »Der Jaguar!«, rief Mario. »Ich habe wieder geträumt! Diesmal ist es Onkel Arne! Vielleicht können wir noch ...«
    Jonas stellte die Kaffeetasse ab, stürzte zum Telefon, wählte.
    »Susanne? Hör zu! Mario hat den Jaguar wieder im Traum gesehen. Diesmal hat es das Tier auf Felten abgesehen. Was? Aha ...«
    Jonas drehte sich zu Chris und Mario um. »Felten kann nichts passieren. Er arbeitet in seinem Büro und draußen vor der Tür ist ein bewaffneter Polizist postiert.«
    »Nein!«, riefen Chris und Mario gleichzeitig. »Der Jaguar ist in dem Büro!«
    Jonas rief das Gleiche noch einmal ins Telefon, dann legte er auf. »Los! Zum Wagen!«
    Chris fand, dass sie mit ihrer wogenden Fülle durchaus noch ein ordentliches Tempo vorlegen konnte, wenn es unbedingt sein musste, aber mit den beiden sprintenden Männern kam sie nicht mit. Mister Brown lief neben ihr. (Er bewegte sich selten schneller als Chris).
    Als Mister Brown in den Kofferraum gesprungen und Chris mit einem lauten Schnaufer auf den Beifahrersitz geplumpst war, gab Jonas, der längst den Motor gestartet hatte, heftig Gas.
    »Vielleicht ist es noch nicht zu spät«, sagte Mario auf dem Rücksitz. Seine Stimme klang dünn und verstört wie die eines kleinen Jungen.
    Jonas raste durch das Tor der Raffinerie und nahm die Kurve dahinter mit quietschenden Reifen. Chris schloss die Augen, als dicke, gelblich beleuchtete Rohrleitungen auf sie zu schössen und sofort wieder aus dem Blickfeld verschwanden, während der Wagen wild schaukelte. Wozu die Eile, dachte sie. Ich habe es doch gesehen: Er ist tot.
    Susanne war sofort nach Jonas’ Anruf zu Feltens Büro gerannt. Als sie sich der Tür näherte, sah sie, wie Hoffmann, der junge Bereitschaftspolizist, von außen an der Tür rüttelte. »Er hat

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