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Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Titel: Wendland & Adrian 03 - Nachtauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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Kraftrituale mit den Kristallschädeln an Ort und Stelle erleben können.

    Chris war herbeigekommen und schaute Susanne über die Schulter. Das Foto zum Artikel zeigte einen hageren, asketisch wirkenden Mann um die fünfzig, der in jeder Hand einen Schädel aus trübe wirkendem Kristall hielt.
    »Sah der Schädel in deiner Vision auch so aus?«, fragte Susanne.
    »Nein. Die hier sind deutlich kleiner. Außerdem sind sie viel gröber gearbeitet und ihre Form ist weniger naturgetreu. Feltens Schädel ist, so weit ich sehen konnte, eine anatomisch exakte Nachbildung aus ganz klarem Kristall, fast wie Glas.«
    »Der Artikel hat mich damals fasziniert«, erzählte Susanne, »weil ich diesen Schädelkult irgendwie morbid fand. Und meine Arbeit ist ja auch morbid. Ich meine, ich habe andauernd mit Leichen zu tun, manchmal schon in arg fortgeschrittenem Verfallszustand. Und da habe ich mich gefragt, was Menschen dazu treibt, Totenschädel anzubeten und einen richtigen Kult daraus zu machen. Ich habe dann auch ein bisschen was über die Maya und die Azteken nachgelesen und herausgefunden, dass sie ziemlich blutrünstige Leute waren. Haben ständig untereinander Krieg geführt und die Kriegsgefangenen dann bei grausamen Menschenopfern massakriert.«
    Chris nickte grimmig. »Ja. Die Indianer sind nicht besser, aber auch nicht schlechter als die Weißen. Amerika war vor der Ankunft der Europäer ganz sicher kein unschuldiges Paradies.«
    Susanne schaute auf die Uhr. »Weißt du, was ich jetzt mache? Ich statte diesem selbst ernannten Schädelexperten einen Besuch ab. Kommst du mit?«
    »Da fragst du noch? Klar komm ich mit. Bin tierisch gespannt!«
    Susanne duftete.
    Chris warf ihr vom Beifahrersitz aus einen lächelnden Blick zu. »Wie war’s mit ein bisschen Parfüm und so, einfach zum Spaß?«, hatte Chris gefragt, ehe sie die Wohnung verlassen hatten.
    Susanne hatte die Achseln gezuckt. »Hab ich, glaub ich, seit der Französischen Revolution nicht mehr benutzt, oder noch länger. Ist bestimmt alles eingetrocknet und versteinert.«
    Sie hatten in Susannes Badezimmerschrank aber doch ein Parfüm entdeckt, das erstaunlich sinnlich roch. »Hätte ich dir gar nicht zugetraut«, bemerkte Chris augenzwinkernd. »Wie war’s noch mit etwas Lidschatten?«
    Dann hatten sie gemeinsam das Durcheinander in Susannes windschiefem, wackligen Kleiderschrank durchwühlt. Susanne meinte: »Hab Lust, mal was anderes anzuziehen als Jeans und T-Shirt und die ewige, verräucherte Ich-habe-in-dir-Nachtdienst-geschoben-Jacke.«
    Sie fanden eine feuerrote Hose und ein witziges schwarzes Teil, das Susanne Vorjahren in einem Secondhand-Laden gekauft hatte: eine Art Shirt aus einem leichten, wuscheligen, fellartigen Gewebe, mit weitem Ausschnitt und ganz kurzen Ärmeln. Und dazu band sie sich noch ein Halstuch um, das ihr, wie Chris fand, irre gut stand.
    Herzogenforst, draußen Richtung Flughafen, auf der Deutzer Rheinseite, bestand aus vielen Ein- und Mehrfamilienhäuser aus den sechziger und siebziger Jahren. In einer Straße standen einige größere viergeschossige Wohnhäuser. Eines davon beherbergte in der obersten Etage Marc Thürmanns Institut für Kristallschädelforschung.
    Susanne hatte bei Thürmann angerufen, sich als WDR-Reporterin vorgestellt und gefragt, ob Herr Thürmann eventuell heute Zeit für ein Interview habe. Selbstverständlich, hatte seine Sekretärin geantwortet. Dafür habe der Herr Thürmann immer Zeit. Somit war er also anwesend.
    Chris wollte aussteigen. »Moment«, sagte Susanne und nahm ihr Handy. »Muss noch kurz mit dem Präsidium telefonieren.« Sie tippte eine Nummer ein. »Ja. Wendland. Das Labor, bitte ...«
    Hätte vielleicht unterwegs noch schnell ein Vossen-Teilchen essen sollen, überlegte Chris. Nein, es war gut, sie sich für die Zugfahrt aufzuheben.
    »Wirklich erstaunlich. Sag den Jungs einen lieben Dank von mir.« Susanne steckte ihr Handy wieder ein. »Ist ja verrückt ...« Ihre Stimme klang verunsichert, nachdenklich. »Ich habe mal nachgefragt, was die Untersuchung dieses Kristalls ergeben hat, der an Feltens Balkon hing.«
    »Und?«
    Susanne seufzte. »Wir sind mal wieder in ein völlig abgefahrenes Abenteuer hineingeraten! Es handelt sich um einen reinen Quarzkristall unbestimmbaren Alters. Er besitzt eine vollkommen symmetrische Kugelgestalt. Trotzdem weist er keinerlei erkennbare Bearbeitungsspuren auf. Die im Labor sagen, das sei ihnen völlig unerklärlich. In der Natur kommen keine runden

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