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Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman

Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman

Titel: Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Reinker
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erwiesen, aus der Erstverwarnung Konsequenzen für ihr weiteres Leben zu ziehen. Sie hat zwar diverse gute Vorsätze gefasst – ich zitiere: ›Ich werde in Zukunft alles besser machen‹, ›Ich werde souverän und gelassen meinen Job erledigen‹, ›Ich werde die stille Schönheit des Alltagslebens wiederentdecken‹, ›Ich werde mein Glück im Winkel mit Thomas endlich angemessen schätzen‹ et cetera, et cetera –, die jedoch samt und sonders innerhalb kürzester Zeit über Bord geworfen wurden. Zusammenfassend darf festgestellt werden, dass die Angeklagte als völlig unbelehrbar einzustufen ist …«
    »Aber damit ist sie statistisch gesehen komplett innerhalb der Norm«, ruft auf einmal Thomas aus dem Publikum. »Weit über 50 Prozent aller Erstverwarnten fallen zunächst zurück in altes Fehlverhalten; da können Sie meiner Sandra doch keinen Strick draus …«
    »Ruhe bitte, oder ich lasse die Öffentlichkeit ausschließen!«, poltert der Richter. »Herr Gutachter, bitte fahren Sie fort.«
    Dr. Schmidtbauer räuspert sich. »In Anbetracht der Schwere der Vergehen der Angeklagten empfehle ich dringend eine zweite Verwarnung, die jedoch weitaus drastischer ausfallen sollte als die erste. Alternativ zu Gelbrot wäre selbstverständlich auch die Rote Karte denkbar. In diesem Fall erlaube ich mir die Empfehlung, die Angeklagte aus pädagogischen Gründen in den nächsten Jahrzehnten als einfache Ameise für Aufforstungsarbeiten an der notleidenden Zwergkiefer des Ehepaares einzusetzen.«
    Ich spüre, wie ich leichenblass werde. Gleich mache ich mir in die Hose vor Panik. Ich will nicht als einfache Ameise enden! Noch nicht mal als Ameisenkönigin! Ich will auch keine zweite Verwarnung, bitte, bitte nicht!! Alles, was ich will, ist noch eine Chance! Und wenn’s nur eine ganz klitzekleine ist!! BITTE !!
    Abgrundtiefe Verzweiflung erfasst mich. Mir wird schwarz vor Augen. Ich spüre, wie ich falle. Und falle und falle …
    »Engel! Sandra, Liebes, komm zu dir!« Thomas’ verzweifelte Stimme dringt an mein Ohr.
    Kein Ton mehr von Dr. Schmidtbauer, dem Staatsanwalt und dem dicken Richter. Dafür höre ich im Hintergrund die Stimmen von Meryl Streep und Robert Redford. Ich traue mich trotzdem nicht, die Augen aufzumachen. Zaghaft bewege ich mich. Anscheinend liege ich auf unserem Fernsehsofa. Panisch taste ich nach meinem Kopf. Nur Haare, keine Fühler. Körpergröße und Anzahl von Armen und Beinen scheinen auch noch zu stimmen.
    Gott sei Dank. Der Albtraum ist vorüber.
    »Engel, sag doch was! Soll ich dich ins Krankenhaus fahren?«
    Oh Gott. Jetzt erinnere ich mich: »Ich fühl hier bei dir einen Knoten.« Die Angst schlägt zu wie eine Faust in die Magengrube. Es ist was nachgewachsen. Ich bin wieder krank. Und dieses Mal vielleicht schlimmer.
    Ich fange an zu schluchzen. Panik, Verzweiflung und schlechtes Gewissen umtosen mich wie Sturmböen eine verhärmte Heckenrose. Thomas streichelt stumm meine Hand. Der Schreck hat wohl auch ihm die Sprache verschlagen. Schließlich steht er auf, füllt zwei Schnapsgläser bis zum Rand und bringt sie zum Sofa. Sie duften nach unserer besten Williamine. Kurz sehe ich wieder Herrn Dr. Schmidtbauer vor mir, wie er über meinen unmäßigen Alkoholkonsum doziert.
    Du kannst mich mal, schluchze ich. Kurzfristig weicht meine Verzweiflung dem Trotz derer, die nichts mehr zu verlieren haben. Wenn ich sowieso vielleicht morgen schon in die Onkologie oder sogar zu den Hausameisen gesteckt werde, dann werde ich zumindest bis dahin nur noch das tun, wonach mir ist. Und dazu gehört jetzt zuallererst Birnenbrand trinken.
    Entschlossen nehme ich einen tiefen Schluck. Ein Genuss. Umso mehr, als es vielleicht das Letzte ist, was ich in absehbarer Zeit genießen kann. Einem Impuls folgend, greife ich zum Telefon und wähle Renates Nummer. Sie ist doch sozusagen mein Schutzengel. Sie wird wissen, was zu tun ist. Hoffentlich ist sie zu Hause.
    »Bei Springer«, sagt eine tiefe männliche Stimme. Seit wann hat Renate einen Lover? Vor lauter Staunen vergesse ich meinen aktuellen Horror. Aber nur für Sekundenbruchteile, dann setzt das Schlottern wieder ein.
    Mit wackeliger Stimme verlange ich nach Renate und erzähle ihr abgehackt und schniefend von Thomas’ Entdeckung. Und von meiner Panik. Nur das mit dem Gutachten lasse ich weg. Schon wegen Thomas. Er sitzt schließlich dabei und kriegt alles mit.
    »Sandra, stopp«, sagt Renate, nachdem sie eine Weile schweigend zugehört hat.
    Verwirrt

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