Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
es im Leben sonst nicht mehr zu allzu viel bringe – die Ehre, eine der tränenreichsten Frauen seit Christi Geburt zu sein, dürfte mir gewiss sein.
Während meiner Untersuchung hat Thomas draußen auf mich gewartet. Er hat natürlich angeboten, mit reinzukommen. Aber ich habe befürchtet, dass er bei größeren Hiobsbotschaften noch vor mir einer Herzattacke erliegen würde, und sein Angebot daher sicherheitshalber abgelehnt.
Als Thomas meine verheulten Augen sieht, springt er erschrocken auf. Er ist weiß wie die Wand hinter ihm, und ich fürchte so sehr um seine Nerven, dass ich ihm quer durch das Zimmer »teilweise Entwarnung!« zurufe, auf ihn zustürze und heftig umarme.
Eine rührende Szene, an der das überfüllte Wartezimmer regen Anteil nimmt, wie ich aus dem plötzlich aufbrandenden Applaus schließe. Irgendwie ist es wie in einer von diesen Kitschromanzen, wenn er und sie nach zahlreichen Irrungen und Wirrungen endlich zueinanderfinden.
In diesem Moment wünsche ich mir nichts sehnlicher, als dass es genau so kommt. Gleichzeitig frage ich mich unwillkürlich, ob ich wirklich im richtigen Film bin.
v v v
Eigentlich habe ich immer gedacht, dass der schlimmste Moment meines Lebens die Krebsdiagnose damals war. Dicht gefolgt von dem schrecklichen Augenblick, in dem Manuel mir sagte, dass Joe mich feuern will.
Seit heute weiß ich, dass es noch viel schlimmer kommen kann. Richtig schlimm und schrecklich ist es nämlich, wenn man einerseits gerade mit einer metallenen Stanze diverse Gewebeproben entnommen bekommt – und andererseits genau in diesem Moment bemerkt, dass man den Adventskranz hat brennen lassen.
Sandra, ganz ruhig. Das bildest du dir ein. Genau wie mit dem Herd, den hast du doch in Wirklichkeit auch noch nie angelassen!, versucht mein Restverstand mich zu beruhigen.
Ja, aber diesmal ist es anders!, heule ich auf. Ich kann mich jetzt ganz genau erinnern! Erst ist Thomas zur Arbeit gegangen, dann habe ich alle vier von diesen hässlichen Kerzen angemacht, dann habe ich versucht zu lesen, dann habe ich Renate angerufen und mich bei ihr wegen der Biopsie ausgeheult, dann habe ich auf die Uhr geguckt und gemerkt, wie spät ich dran bin, und dann … Dann habe ich mich Hals über Kopf in Stiefel und Mantel geworfen und bin zur U-Bahn gerannt. OH GOTT !
Nie zuvor war ich einem Schreikrampf so nah wie in dieser Sekunde. Mit schreckgeweiteten Augen sehe ich unser Haus in Flammen stehen, Belmondo – oh Gott, Belmondo ! – in Panik aus dem Fenster springen. Als ich draußen wie zur Bestätigung ein ganzes Einsatzkommando Feuerwehren mit ohrenbetäubendem Sirenengeheul vorbeirasen höre, hält es mich nicht mehr auf meiner Liege.
»Bitte, ich muss sofort weg – es ist bestimmt was Schreckliches passiert!«, flehe ich den Arzt an.
Beruhigend legt er mir eine Hand auf die Schulter. »Noch einen Moment, wir sind gleich fertig«, sagt er und bringt seine Stanze behutsam noch einmal in Position. Sekunden dehnen sich zu Jahrzehnten. In meinem Kopf toben wilde Feuersbrünste. Gegen das von mir entfachte Inferno ist Neros Aktion in Rom eine harmlose Kokelei, ganz bestimmt.
»Ihr Puls geht ja durch die Decke! So kann ich Sie unmöglich gehen lassen, Sie klappen mir ja zusammen! Ich ruf jetzt sofort einen Kollegen aus der Kardiologie an, der wird Ihnen erst mal eine Spritze …«
Bloß nicht. Bis dahin steht doch ganz Bayern in Flammen! Ich hechte von der Behandlungsliege, werfe mich in meine Klamotten und stürze durch die Tür. »Keine Zeit!«, rufe ich dem Arzt noch zu, bevor ich aus dem Krankenhaus stürme wie eine Windhose. Bitte, liebe himmlische Mächte, tut doch einmal, um was man euch bittet, und schickt mir ein Taxi! Ich will in Zukunft auch immer lieb sein!
Doch der Taxistand ist verwaist, die himmlischen Mächte haben kein Erbarmen. Oder kein Vertrauen mehr in meine Versprechungen. Ich kann es ihnen nicht verübeln.
In Panik renne ich los. Was nun? U-Bahn? Bus? Ich bin auf einmal so konfus, dass ich noch nicht mal mehr weiß, wie die nächstgelegene Haltestelle heißt. Geschweige denn, in welcher Richtung sie liegt.
Endlich, ein freies Taxi! Während der Fahrer mir in breitem Bayerisch kundtut, was er von Ausländern im Allgemeinen und im Besonderen von Moslems in München hält, versuche ich im Sekundentakt Frau Leitner anzurufen, meine Nachbarin von unten. Doch es kommt noch nicht mal ein Freizeichen. Nur die Ansage »Diese Rufnummer ist vorübergehend nicht zu erreichen«.
Klar,
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