Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
hat Martina ausnahmsweise völlig recht.
Als unser Besuch glücklich gegangen ist, stoßen Thomas und ich noch mal miteinander auf den gelungenen Abend an. Dann fängt Thomas an, die Küche aufzuräumen – bei uns gilt die eiserne Regel: »Wer kocht, muss nicht spülen« –, und ich schaue noch mal kurz in meine Mails. Nur so zum Spaß. Mal sehen, ob mir nicht noch jemand eine von diesen lustigen elektronischen Weihnachtskarten geschickt hat.
In meinem Posteingang ist aber keine Weihnachtskarte. Sondern eine Mail von XING . »BSArchitecture hat Ihnen eine Nachricht gesendet.«
Bestimmt Spam, denke ich genervt. Schon habe ich den Finger auf der Löschtaste, doch dann sage ich mir: Komm, Sandra. Das ist deine erste Mail von XING überhaupt. Mach sie halt auf, zur Feier des Tages. Kannst sie ja hinterher immer noch löschen.
Seufzend klicke ich auf »Mail öffnen«. Und falle fast in Ohnmacht.
Da steht: »Liebe Sandra, wie geht es Dir? Es ist so viel Zeit vergangen, wer weiß, was Du inzwischen denkst und fühlst, über Berlin, über unser Treffen am Flughafen, über das Glück … Ich würde das so gerne wissen, und noch vieles mehr, aber ich wusste bisher noch nicht mal, wie ich Dich erreichen sollte. Umso mehr freue ich mich, dass ich gerade Dein XING -Profil entdeckt habe! In Deinem Leben muss viel passiert sein, dass Du Dich jetzt auch auf Stellen in Frankreich bewirbst. Traust Du Dich jetzt doch? Na ja, jedenfalls scheinst Du auf Jobsuche zu sein. Das nehm ich mal als gutes Zeichen … Ich habe durch ein Großprojekt für einen englischen Immobilienmakler gerade so viel zu tun, dass ich dringend Hilfe brauche. Hättest Du nicht Lust, bei mir einzusteigen? Ich frage rein geschäftlich, ehrlich. Der Job wäre erst mal für ein halbes Jahr. Projektbetreuung und Übersetzungen, ist doch Dein Fachgebiet ;-) Alles andere (falls es noch was anderes gibt) wird sich dann schon zeigen. Also, wie wär’s? Ich würde mich wirklich sehr freuen. Ruf mich einfach auf dem Handy an, auf meiner Website findest Du die Nummer. Frohe Weihnachten, ganz liebe Grüße, Benno.«
Ich starre auf den Bildschirm wie eine Maus auf die Katze. Oder auf den Käse. So ganz genau kann ich das nicht sagen.
Mein erster Gedanke ist: Tja, Pech gehabt, Benno. Du bist zu spät. Noch vor drei Wochen hätte ich mich auf der Stelle in den Zug gesetzt und wäre zu dir gebraust. Ein Job beim Mann meiner Träume (an der Stelle klopft mein Herz so laut, dass Belmondo auf meinen Schoß springt und schnurrt), im Land meiner Träume das Leben meiner Träume leben.
Aber vor drei Wochen war auch noch alles anders.
Inzwischen bin ich eine wunschlos glückliche, in mir ruhende Frau. Außerdem bin ich glücklich verheiratet. Außerdem ziehe ich demnächst mit 225 Sukkulenten nach Weßling. Die Bettwäsche ist auch schon gekauft. Du siehst, meine Lebensplanung für die nächsten 40 Jahre ist inzwischen abgeschlossen. War trotzdem schön, von dir zu hören. Adieu.
Mein zweiter Gedanke ist: Verdammt. Warum zum Teufel kann man nicht einmal im Leben seine Ruhe haben? Warum habe ich dieses blöde XING -Profil nicht gelöscht, als das mit dem Job für Manuel klar war? Und wo wir gerade beim Löschen sind: Warum habe ich diese blöde E-Mail überhaupt aufgemacht?
Wütend klicke ich auf den Link zu Bennos Website. Wo ich mich schon ins Unheil geritten habe, kann ich mir die auch gleich noch angucken.
Auf dem Bildschirm öffnet sich ein schmiedeeisernes Tor und gibt den Blick frei auf einen verwilderten Garten. Im hohen Gras sitzt eine schwarze Katze mit weißen Flecken über den Augen und schaut mich direkt an. Was macht Belmondo denn da, denke ich irritiert, aber die Animation läuft weiter und lässt mir keine Zeit, länger darüber nachzudenken. Im Hintergrund des Gartens wird ein altes Natursteinhaus sichtbar. Ziemlich verwahrlost, aber wildromantisch.
Beim Näherkommen verändert es sich allmählich: neue große Fenster, neues orangerotes Ziegeldach, ein neues Geländer für die fünf Stufen zum Hauseingang. Eine neue Eingangstür mit einem von diesen hübschen Messingklopfern, und schon bin ich drin.
Vor meinen Augen wandeln sich heruntergekommene Räume mit Linoleum und Resten von dreierlei Blümchentapete zu hellen, gemütlichen Zimmern mit gepflegten Terrakottaböden. Und erst die Küche! Vom verdreckten Loch zum Traum aus Homes & Gardens .
Sehnsüchtig betrachte ich die glänzenden Kupferkasserollen an der Wand. Den sechsflammigen Gasherd. Und den
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