Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
viele Pläne habt! Also wirklich, ich dachte, du wärst endlich zur Ruhe gekommen, wie sich das in unserem Alter gehört!«
Gott sei Dank, ein Machtwort. Wozu einen Bergkristall mit sich rumschleppen, wenn man gute Freundinnen hat? Die verhelfen einem immer zur nötigen Klarheit.
Wobei. Vielleicht sollte ich auch Neele anrufen. Doppelt genäht hält besser.
»Bei dir piept’s wohl!«, ruft Neele entrüstet. »Sag mal, ich dachte, du hättest dich endlich für deine Ehe entschieden. Da kannst du Thomas doch so was unmöglich antun! Denk an deine Geburtstagsparty! Ich dachte, da wollten wir euer neues Leben feiern, das Traumhaus am Weßlinger See! Und überhaupt: dich nach Südfrankreich verdrücken und deine besten Freundinnen einfach im Stich lassen – so weit kommt’s noch! Was soll denn dann aus unseren Mädelsabenden werden?«
Ein weiteres Machtwort. Wenn auch kein ganz uneigennütziges. Aber egal. Hauptsache, ein Machtwort.
Unterm Strich muss ich allerdings sagen, dass ich trotzdem nicht so recht zurückfinde zur beseelten Gelassenheit der letzten Tage.
Die plötzliche Chance, noch mal was ganz anderes aus meinem Leben zu machen, umschwirrt mich wie ein bunter Kolibri, allen anderslautenden Argumenten zum Trotz.
Mir wird nichts anderes übrig bleiben, als zur Ultima Ratio zu greifen. Einem Telefonat mit meiner Mutter.
Auf Mütter ist wirklich immer Verlass. Die meine erfüllt jedenfalls aus dem Stand all meine Erwartungen. Kaum habe ich ihr von dem Jobangebot erzählt, da legt sie auch schon los.
»Bist du verrückt geworden? Wie kannst du nur ernsthaft darüber nachdenken, für einen windigen Sechsmonatsvertrag in einem französischen Kuhdorf bei dir zu Hause alles stehen und liegen zu lassen? Hier könntest du gemütlich wieder in deinen alten Job einsteigen. Unbefristet , schon vergessen? Mensch, Kind, du musst doch an deine Rente denken! Glaub mal nicht, dass der Arbeitsmarkt auf Mittvierzigerinnen wie dich gewartet hat!«
Unwillkürlich verziehe ich das Gesicht. Es ist ja völlig okay, dass sie versucht, mir die Idee auszutreiben. Aber muss sie mich dabei unbedingt an mein Alter erinnern?
»Und dann Thomas. Vergiss nicht, dank deiner Ehe bist du materiell abgesichert! So was kannst du doch unmöglich aufs Spiel setzen. Vor allem du nicht. Stell dir nur vor, du wirst wieder krank! Alleine stehst du das doch nicht noch mal durch!«
Jetzt dreht sie doch ein bisschen zu sehr auf, finde ich. »Aber Mama, du tust so, als stünde ich kurz vor der Scheidung, dabei geht’s doch nur um sechs Monate Frankreich«, sage ich und hoffe, dass die himmlischen Mächte diesen kleinen Rückfall in mein altes Notlügenleben nicht mitbekommen. »Es gibt Ehepaare, die sind viel länger getrennt. Das ist nun mal so auf dem globalisierten Arbeitsmarkt. Ist doch alles ganz harmlos!«
Oops, noch eine Notlüge. Keine Ahnung, ob die himmlischen Mächte sie mitgekriegt haben; meine Mutter jedenfalls reagiert umgehend.
»Papperlapapp, es gibt keine harmlosen Auslandsaufenthalte, Gelegenheit macht Liebe«, unterbricht sie mich wütend. »Halt deine alte Mutter nicht für blöd, ja? Ich weiß genau, dass es zwischen dir und Thomas irgendwo klemmt, schicke Silvesterparty hin oder her. Aber wo kommen wir denn da hin, wenn sich alle einfach ausklinken würden, bloß weil ihnen irgendwas nicht passt? Eine Ehe erfordert nun mal Kompromisse! Oder glaubst du vielleicht, ich bin aus reiner Leidenschaft all die Jahre bei deinem Vater geblieben?«
Sie holt kurz Luft für die zweite Salve, dann feuert sie weiter: »Und wo wir gerade dabei sind: Ich hab mir mein Leben auch ganz anders vorgestellt! Ich hatte auch mal Träume, aber das hat ja keinen von euch interessiert! Tierärztin wollte ich werden und mich in Afrika um verwaiste Affenbabys kümmern, anstatt hier in München hinter euch herzuräumen und ansonsten Zahnarztpatienten die Spucke wegzusaugen!«
Einen Moment lang klingt sie so, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. Doch das geht beeindruckend schnell vorbei.
»Trotzdem bin ich mit meinem Leben zufrieden, jawohl! Vielleicht hätte alles besser kommen können – aber vielleicht auch sehr viel schlechter. Mensch, Sandra, wann wirst du endlich erwachsen?«
Erschöpft hält sie inne. Halleluja. Ich fange allmählich an, mich ziemlich beschissen zu fühlen. Mama hat tatsächlich ganze Arbeit geleistet.
Zerknirscht bedanke ich mich bei ihr für ihren guten Rat. Und schalte meinen Rechner ein. Ich werde Benno jetzt
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