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Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman

Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman

Titel: Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Reinker
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Gedanken, Worten und Taten. Aber das ist jetzt ein für alle Mal vorbei. Anstatt zur Wiederholungstäterin in Sachen Sündenfall zu werden, sollte ich dringend etwas Gutes tun. Schon allein, um die himmlischen Mächte darüber hinwegzutrösten, dass es mir an jeglicher Reue fehlt.
    Da kommt mir mein Bruder gerade recht. Er ist der Gutmensch in unserer Familie. Schon vor Tagen hat er mir eine Rundmail mit dem Betreff »Armut und Krankheit in Mali« geschickt. Bisher habe ich sie noch nicht gelesen. Denn Daniel schreibt sowieso jedes Mal mehr oder weniger dasselbe: einen Bericht über seine Aktivitäten als Entwicklungshelfer in einem Dorf nördlich von Timbuktu, gefolgt von einem tagesaktuellen Spendenaufruf.
    Mal bittet er um Geld für Krankenhausbetten oder Schulbücher, mal will er lieber Sachspenden. Dieses Mal geht’s um alte Fahrräder. Wir sollen sie lieber nach Mali schicken, schreibt er, als sie für ein paar Euro bei eBay zu verscheuern oder im Keller vergammeln zu lassen.
    Ich fühle mich ertappt. In unserem Keller warten mindestens zwei ausrangierte Fahrräder darauf, dass ich mich irgendwann dazu aufraffe, sie zu verkaufen. Ein Schicksal, das sie mit einem leicht veralteten DVD -Rekorder, einem Toaster, dessen Farbe mir nicht mehr gefiel, einer seit unserer Hochzeit unbenutzten Küchenmaschine und einem voll funktionsfähigen Dampfbügeleisen teilen.
    Unsere alten Fahrräder kommen also nach Mali, so viel steht fest. Großzügig packe ich im Geiste bereits das Dampfbügeleisen und die Küchenmaschine dazu, als mir einfällt, dass man damit da unten möglicherweise nicht allzu viel anfangen kann. Ich beschließe daher, diese Sachen endlich zu verkaufen und den Erlös meinem Bruder zukommen zu lassen. Ein bisschen was an gutem Karma müsste dadurch doch eigentlich auch auf mich abfallen, allen unkeuschen Taten zum Trotz.
    v v v
    Es ist immer dasselbe. Wenn ich den Mantel schon in der Hand habe, kommt der Meidner garantiert mit irgendetwas Dringendem an, das keine Minute Aufschub duldet. Jedenfalls seiner Meinung nach. Ich höre genervt zu, verspreche umgehende Bearbeitung, natürlich gerne auch nach Feierabend von zu Hause aus, hetze zur U-Bahn – und sehe nur noch die Schlusslichter.
    In den zehn Minuten Zwangspause bemitleide ich mich heftig dafür, dass ich mein ganzes Leben im Laufschritt verbringe. Sobald ich dazu komme, Luft zu holen oder gar eine Pause zu machen, kriege ich gleich ein schlechtes Gewissen. »Langsam« habe ich offenbar völlig verlernt. Immer ist so irrsinnig viel zu tun, alles ist grundsätzlich dringend oder wichtig oder beides zusammen. Kaum habe ich eine Sache erledigt, kommen zehn neue rein.
    Manchmal möchte ich schreiend mein Firmenhandy zum Fenster rauswerfen. Und den Firmenlaptop gleich hinterher. Allerdings habe ich inzwischen gelernt, solche Krisen durch die sofortige Zufuhr eines doppelten Espresso und einer Tafel Bitterschokolade zu entschärfen, bevor meine nervliche Situation eskaliert.
    Denn es hilft ja nichts. Meine Rente liegt in weiter Ferne. Außerdem: Um später überhaupt eine halbwegs vernünftige Pension zu bekommen, muss ich mich gnadenlos nach der Decke strecken und die nächsten 20 Jahre weiterhin im fünften Gang durch meinen Alltag rauschen.
    So gesehen ist es für so gehetzte Leute wie mich geradezu ein Segen, dass man beim Arzt kaum zu spät kommen kann, weil man als Kassenpatient sowieso erst ewig nach dem vereinbarten Termin drankommt. Also verzichte ich darauf, meinem Pünktlichkeitswahn zu folgen und auf den letzten 800 Metern von der U-Bahn zur Praxis einen Sprint hinzulegen.
    Stattdessen übe ich Bummeln. Gar nicht so einfach, aber mit eisernem Willen gelingt es mir tatsächlich, meinen Standard-Sandra-Schnellschritt merklich zu verlangsamen.
    Betont müßig schaue ich in die Auslage eines italienischen Feinkostladens – und denke, mich trifft der Schlag: In der hintersten Ecke der dazugehörigen Bar sitzt Martinas Stefan. In inniger Umarmung mit einer Frau, die erkennbar nicht Martina ist. Sofern Martina nicht kürzlich spontan ihre Haare verlängern und feuerrot hat färben lassen. Was ich sehr bezweifle.
    Mein erster Impuls ist, aus reiner Solidarität mit meiner Freundin da reinzustürmen wie eine entfesselte Furie und Stefan in klaren Worten zu sagen, was ich von Ehebrechern halte.
    Ich habe den Türgriff schon in der Hand und meine flammende Rede fertig formuliert im Kopf, da fällt mir ein, dass die Sachlage vielleicht doch ein bisschen

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