Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
– und dir einfach möglichst viel Gutes tust.«
Viel Gutes. Mir ist zwar nicht ganz klar, wie das mit dem Schreckgespenst im Nacken funktionieren soll. Aber mein Nahziel heißt sowieso erst mal »Spaghetti bolognese mit extra viel Käse«. Danach werden wir schon sehen.
Während ich die Zutaten für die Sauce klein schneide und Renate Springers Schampus zur weiteren Beruhigung meiner Nerven durch ein großes Glas Rotwein abrunde, steigt unvermittelt eine überbordende Sehnsucht nach Benno in mir hoch.
Panisch schiebe ich den Gedanken weg und versuche konzentriert, meinen Mann herbeizusehnen. Ganz so, wie es in derartigen Situationen das Natürlichste und übrigens auch das einzig Angemessene ist.
Allerdings ist Thomas für drei Tage auf Geschäftsreise. Und anstatt ihn inbrünstig herbeizusehnen, um mich in seinen Armen auszuweinen, bin ich komischerweise froh, erst mal alleine zu sein.
Thomas gehört zu den Männern, die bei Nachrichten über schlimme Krankheiten im Bekanntenkreis blass und schweigsam werden und so schnell wie möglich das Thema wechseln. Verdrängung der eigenen Vergänglichkeit oder so was. Da muss ich keine Hellseherin sein, um zu wissen, dass er mit einer Gruselkrankheit wie Krebs überhaupt nicht wird umgehen können.
Unter den Umständen ist es sowohl für ihn als auch für mich mit Sicherheit das Beste, wenn ich erst mal den Kernspin abwarte. Dasselbe gilt, bei Licht betrachtet, auch für meine Eltern und meine Freundinnen. Die Gespräche mit ihnen werden meine mühsam aufgebaute Fassung in null Komma nichts wieder in Schutt und Asche legen. Und geheult habe ich heute schon genug.
Ich ziehe den Telefonstecker raus, schlucke eine von Renates Tabletten und schlafe sofort ein.
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In die Kernspin-Röhre geschoben zu werden ist nicht nur für Klaustrophobiker ein Albtraum. Auch ich wäre am liebsten mit einem gemurmelten »Da liegt wohl eine Verwechslung vor« aus der Praxis geflüchtet. Dann jedoch sagte ich mir, dass diese Untersuchung ein Klacks ist gegen das, was möglicherweise noch auf mich zukommen wird.
Mit einer unheimlichen Ruhe ließ ich die Röhre über mich ergehen. Und mit derselben unheimlichen Ruhe nehme ich nun die endgültige Diagnose entgegen.
So ein Schockzustand hat durchaus seine Vorteile. Ich kann sogar den Ausführungen meines Frauenarztes folgen. Und das ist auch gut so. Denn er verkündet mir strahlend, ich hätte geradezu unglaubliches Glück im Unglück: ein sehr kleiner, abgekapselter Tumor, an leicht zugänglicher Stelle. Frühzeitig entdeckt wegen meines vorbildlichen Vorsorgerhythmus, setzt er lobend hinzu.
Siedend heiß fällt mir da ein, dass ich den letzten Termin wegen meinem ganzen Jobstress absolut unvorbildlich x-mal verschoben habe.
Doch bevor ich dazu komme, mir deswegen höllische Vorwürfe aufs Haupt zu laden, redet er weiter. Letzte Gewissheit würde erst die Untersuchung der Lymphknoten bringen, doch die operative Entfernung des befallenen Gewebes mit anschließender Strahlentherapie würde vermutlich ausreichen.
Keine Brustamputation? Keine Chemo? Keine Glatze? Gehört das denn nicht alles automatisch ins Pauschalprogramm, wenn es einen einmal erwischt hat?
Obwohl ich nicht genau weiß, was Lymphknoten überhaupt sind, geschweige denn, ob sie meinem Arzt auch wirklich gefallen werden, fange ich vor Erleichterung an zu schluchzen. Schluchzer, die zur Ouvertüre für einen ordentlichen Heulkrampf geraten, als mir klar wird, dass mir die volle Nummer im Gruselkabinett zwar mit etwas Glück erspart bleibt. Nicht aber die Diagnose selbst.
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Ein Schritt nach dem anderen. Sich möglichst viel Gutes tun. Mit den eigenen Kräften haushalten. Wie Mantras murmele ich Renates weise Worte vor mich hin. Als ich mich ruhig genug fühle, hole ich tief Luft und mache mich daran, endlich meine Lieben zu informieren.
Jetzt, wo nichts mehr zu deuteln ist, will ich es hinter mich bringen. Je schneller du es schaffst, trotz allem wieder eine gewisse Normalität in dein Leben zu bringen, desto besser, hat Renate gesagt. Also dann.
Der erste Name auf meiner geistigen Liste ist Benno. Bennobennobenno. Alles würde ich dafür geben, mich in seine Arme zu flüchten, mich von ihm ganz festhalten und trösten zu lassen.
Einerseits.
Andererseits würde ich inzwischen auch ziemlich viel dafür geben, dieses ganze Abenteuer ungeschehen zu machen. Oder wenigstens radikal aus meinem Gedächtnis streichen zu können.
Klingt albern, ich weiß. Aber seit der
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