Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman

Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman

Titel: Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Reinker
Vom Netzwerk:
komplizierter ist. Nicht nur sitze ich selbst in einem Haus aus meterdicken Glasbausteinen. Auch Martina hat es in letzter Zeit bekanntlich an ehelicher Treue fehlen lassen. Da ist es möglicherweise angebracht, den Türgriff wieder loszulassen und vor irgendwelchen überstürzten Aktionen erst mal nachzudenken.
    v v v
    Im Wartezimmer fische ich mir mit geübtem Griff die Gala aus dem Zeitschriftenstapel. Psychologie heute und Geo sind natürlich intellektuell bedeutend anspruchsvoller. Sie kranken aber meines Erachtens daran, dass sie so radikal auf jegliche Prominenten-Berichterstattung verzichten.
    Wobei ich mich heute kaum auf die exklusiven Hintergrundberichte über George Clooney, Brad Pitt und Ernst August von Hannover konzentrieren kann. Zu sehr bin ich in Gedanken noch bei dem, was ich gerade gesehen habe.
    Eigentlich müsste ich Martina sofort davon erzählen. Oder nicht? »Wenn Stefan mal was laufen hat, will ich es gar nicht wissen!«, hat sie mal gesagt. Aber ob sie das auch wirklich meint? Ich werde den Fall mit Neele erörtern müssen. Mal sehen, was die dazu sagt.
    Die Sprechstundenhilfe reißt mich aus meinen Gedanken. »Frau Heller, bitte.« Gehorsam trotte ich ins Untersuchungszimmer. Alles Routine. »Machen Sie sich bitte unten frei«, Abstrich, »Machen Sie sich bitte oben frei«, Ultraschall. Seit Jahren habe ich Zysten. Mein Arzt vermisst sie gelegentlich neu, und das war’s.
    Aber diesmal ist irgendwas anders. Er fährt mit dem Schallkopf lange auf meiner rechten Brust hin und her und murmelt schließlich: »Das hier gefällt mir nicht.«
    Für diesen Satz sollte er umgehend mit dem großen Preis für den feinfühligsten Ärztekommentar des Jahres ausgezeichnet werden.
    Doch bevor ich ihm das an den Kopf werfen kann, schickt er mich zur Mammografie im selben Haus gegenüber. Als die mich gleich drannehmen, wird mir mulmig. Ein Gefühl, das nicht dadurch besser wird, dass der Radiologe, der mir eine halbe Stunde später den Umschlag mit den Aufnahmen aushändigt, mit Hasenblick irgendwas von »Ihr Arzt sollte sich das gleich anschauen« murmelt.
    Mit schwummerigem Magen gebe ich die Bilder bei der Sprechstundenhilfe ab und setze mich wieder ins Wartezimmer.
    Ist das jetzt die Strafe für eine winzig kleine harmlose Affäre?, schießt es mir durch den Kopf. Ich muss meinen gesamten Restverstand zusammenklauben, um mich davon zu überzeugen, dass ein Tumor wohl in den seltensten Fällen innerhalb von drei Tagen heranwächst.
    Die nächsten 30 Minuten dauern so lange, dass ich gute Chancen hätte, gegen meinen Frauenarzt einen Prozess wegen seelischer Grausamkeit zu gewinnen. Als ich endlich wieder dran bin, schaut er betont sachlich. »Gleich in medias res. Leider besteht der Verdacht auf ein Mammakarzinom. Ich habe für Sie bereits einen Termin für einen Kernspin ausgemacht. Der wird uns letzte Klarheit bringen. Sie können doch morgen früh, oder?«
    Ich will Luft holen und antworten, dass ich morgen früh leider keinesfalls Zeit habe, weil ich einen wichtigen Termin mit der Firma Grünthal Elektro-Gartengeräte wahrnehmen muss und daher unabkömmlich bin.
    Aber es kommt keine Luft.
    Einen Moment lang denke ich, ich ersticke. Das darf ja wohl alles nicht wahr sein. Ich komme mir vor wie im falschen Film. Ich bin’s doch, die Sandra! Nie im Leben habe ich Krebs! Schließlich habe ich mir schon vor vier Jahren das Rauchen abgewöhnt und lebe auch ansonsten sehr gesund! Okay, relativ gesund, aber die anderen essen auch nicht mehr Brokkoli als ich und müssen sich trotzdem nicht gleich mit einem Tumor rumschlagen.
    Krebs. Auf einmal dämmert mir, dass sich so also der Ernstfall anfühlt. Und dass sämtliche Probleme, mit denen ich in meinem bisherigen Leben gehadert habe – Arbeitsstress, Sexfrust, Neigung zu Hautunreinheiten und Augenringen –, Peanuts sind im Vergleich zu dem, was da gerade auf mich zukommt.
    Bis eben war ich eine ganz normale Frau um die 40, mit einem normalen Job, einer normalen Ehe und einer normalen Möchtegern-Affäre. Heile Welt eben. Verzweifelt wünsche ich sie mir zurück, zur Not sogar inklusive Joe Meidner, Dr. Schnurer und vegetativer Stecklingsvermehrung. Aber sie ist weg.

5
    I ch habe eigentlich immer gedacht, dass ich bei richtig schlechten Nachrichten filmreif in Tränen ausbrechen oder wenigstens ein bisschen hysterisch werden würde. Aber nein, ich bleibe so ruhig, als ginge es nicht um mein Leben, sondern um ein paar Grünthal-Gartengeräte. Das nennt man

Weitere Kostenlose Bücher