Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
ein Drama, das es nur in der Zeitung gibt, aber niemals in echt, im eigenen Leben.
»Sandra, ich kann mir vorstellen, wie du dich fühlst. Aber bitte, sieh’s als Herausforderung, nicht als Drama. Deine Prognose ist doch super, das hast du uns selber erzählt. Klar ist es trotzdem schlimm, Brustkrebs zu haben. Aber Darmkrebs ist bestimmt noch ein bisschen schlimmer, meinst du nicht?«
Ich schnappe nach Luft und will mir solche gefühllosen Kommentare entschieden verbitten. Doch dann sage ich nichts. Neele hat recht, ich habe Glück im Unglück, und das Leben geht weiter. Muss weitergehen. Also höre ich entschlossen auf zu heulen und gebe meinen beiden besten Freundinnen endlich was zu trinken.
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Nachdem Neele und Martina gegangen sind, sitze ich noch lange in meinem feuerroten Schaukelstuhl und denke nach. Es war ein sehr netter Abend. Und das Beste daran war, dass es irgendwann nicht mehr um Krankheiten ging, sondern um so erfrischend normale Fragen wie die besten Wirsingrezepte und die Wirksamkeit von regenerierenden Augencremes für die reifere Haut.
Martina jammerte über Annika, Neele schwärmte von Alberto, und über weite Strecken war eigentlich alles wie immer. Als Martina einen Witz erzählte, konnte ich sogar lachen. Beste Freundinnen sind anscheinend für Krisenmanagement aller Art bedeutend besser geeignet als Beziehungspartner.
Ich merke, wie sich die Anspannung der letzten Stunden löst. Gut so. Mein Magen und meine Schultermuskulatur sehen offenbar endlich ein, dass ihre bisherige Dauerverkrampfung kein geeignetes Mittel ist, um mit den vor mir liegenden Herausforderungen fertigzuwerden.
Wobei die größte Herausforderung vermutlich nicht in Diagnose und Behandlung besteht, sondern in der Angst davor.
»Angst ist normal. Aber sie ist auch schrecklich lästig, denn sie ändert ja nichts an deiner Lage. Sie macht dir nur den Umgang damit schwerer«, hat Renate gesagt.
Wie wahr. Dummerweise ist es ganz schön schwer, Panik auszubremsen, wenn sie sich gerade mit Schwung auf die Gehirnwindungen werfen will. Aber ich beschließe feierlich, genau das zu schaffen. Alle Welt lobt immer meinen analytischen Verstand. Der wird mich jetzt bitte schön nicht im Stich lassen.
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Als Thomas am nächsten Abend blass und übernächtigt nach Hause kommt, wird mein analytischer Verstand erst mal auf eine harte Probe gestellt.
Mir war natürlich vorher klar, dass mein Mann kaum über Nacht zu einer Art Bruce Willis herangereift sein würde, der mir mit männlicher Stärke, Zuversicht, gepflegtem Galgenhumor und extrabreiten Schultern über diese Lebenslage hinweghelfen würde. Doch dass ausgerechnet ich am Ende ihn würde trösten müssen, das hätte ich mir dann doch nicht träumen lassen.
Typisch Frau. Selbst auf der Intensivstation machen wir uns wahrscheinlich mehr Sorgen um die nervliche Verfassung unserer Männer als um unseren eigenen Gesundheitszustand.
Immerhin: Drei Gläser Wein und viele Mutmacherparolen aus der Allgemeinplatzkiste später sitzen wir eng umschlungen auf dem Sofa, schauen uns in die Augen und geloben einander, dass wir das zusammen durchstehen werden.
»Wir schaffen das!«, beschwört Thomas mich, sich und den Rest der Welt. Plötzlich wird sein Blick sehr entschlossen.
Genauso plötzlich und entschlossen küsst er mich. Mit einer Leidenschaft, wie er sie zuletzt in meinem Traum am Neujahrsmorgen an den Tag gelegt hat. Vor meinen Augen verwandelt er sich. Nicht in Bruce Willis, klar. Auch nicht in Superman. Aber immerhin in einen für seine Verhältnisse geradezu feurigen Liebhaber.
Was natürlich nicht heißt, dass er sich zu wildem Sex quer durch Küche, Bad und Wintergarten hinreißen lässt. Wie immer kommt er erst im Schlafzimmer so richtig in Fahrt, und auch erst, nachdem er Hemd, Hose, Unterwäsche und Socken ordentlich auf seinem stummen Diener abgelegt hat.
Trotzdem kann ich mein Glück kaum fassen. Offenbar hat der Gedanke, dass vielleicht bald nichts mehr so sein wird, wie es mal war, seine Libido von den Toten auferweckt. So was soll’s ja geben.
Letztlich ist es mir aber auch egal, woher seine Lust so plötzlich kommt. Hauptsache, sie ist wieder da.
Ich genieße die Gunst der Stunde in vollen Zügen. Als mir meine Fantasie mittendrin ein scharfes Bild von Benno in die Hirnwindungen schickt, rufe ich mich geradezu entsetzt zur Ordnung. Im unmittelbaren Vergleich schneidet Benno zwar bedeutend besser ab. Doch die Zeit der Vergleiche ist hiermit ein für
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