Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
gottergeben ihr Tischkärtchen hin und her.
Vor zwei Jahren stellte sich dann heraus, dass Hubert sich im zarten Alter von 70 Jahren in eine halb so alte rumänische Manikürefachkraft verliebt hatte und ihr ein eigenes Nagelstudio kaufen wollte. Von Marthas Familienerbe.
Doch wie das Leben so spielt: Kurz nachdem Martha sich von diesem Schock erholt und die Scheidung eingereicht hatte, starb Hubert überraschend. Vermutlich eine Überdosis Viagra. Aber sein Hausarzt hat natürlich geschwiegen wie ein Grab.
Ich habe Martha zuletzt bei der Beerdigung gesehen, vor etwas mehr als einem Jahr. Sie war noch blasser und verhärmter als sonst, und wir machten uns ernsthaft Sorgen um sie.
Umso überraschter war ich, als ich sie jetzt wiedersah. Sie war nicht wiederzuerkennen. Die lustige Witwe in Person. Topmodisch gekleidet, gepflegtes Make-up, flotte Frisur. Gesundheitlich superfit und offenbar hervorragend vernetzt mit einer ganzen Clique quirliger älterer Damen. »Neulich waren wir alle in Endlich Witwe – das war vielleicht ein Spaß!«, erzählte sie uns begeistert und nahm einen großen Schluck von ihrem Gin Tonic.
Noch so eine erstaunliche Veränderung. Früher trank sie höchstens mal ein Gläschen Kräuterlikör. »Die Queen Mum hat auch jeden Tag einen Gin Tonic getrunken und ist damit 101 geworden!«, erklärte Martha, als sie meinen Blick bemerkte. »Ich fühl mich putzmunter, da will ich noch möglichst lange meinen Spaß haben!«
Kein Zweifel, ihr Witwendasein hat sie um Jahrzehnte verjüngt. Eine erfreuliche Entwicklung.
Gleichzeitig erfüllt mich diese Beobachtung mit einer gewissen Beunruhigung. Bonmots aus Neeles reichhaltiger Sammlung ehefeindlicher Sprüche klingen in meinen Ohren: »Eine Ehe ist wie ein Jahr Feuer und 30 Jahre lang Asche. ›Bis dass der Tod euch scheide‹ ist angesichts der steigenden Lebenserwartung in unseren Breitengraden einfach zu viel verlangt. Alle glauben, dass die Liebe über die Zeit siegt – doch am Ende siegt immer die Zeit über die Liebe. Erst kommen die großen Gefühle, dann kommt die Gewohnheit, und dann ist es zu spät.«
Nachdenklich schaue ich dem Brautpaar hinterher, das gerade glücklich an unserem Tisch vorbeitanzt. Wie gut, dass die beiden im Gegensatz zu mir noch keine Ahnung haben, welche Wendungen so ein Eheleben nehmen kann.
12
F reitag, 10. August. Mein Meditationskalender hat heute »Nichts zu tun ist besser, als mit viel Mühe nichts zu schaffen« anzubieten. Eine Aussage, der ich mich inhaltlich voll anschließen kann. Wobei ich normalerweise trotzdem im Bereich »mit viel Mühe nix schaffen« rotiere wie der berühmte Hamster im Rad.
Nur heute habe ich ausnahmsweise die Gelegenheit, mit »Nichtstun« unbehelligt durch den Arbeitstag zu kommen. Denn heute ist Sitzung. In unserem blau-gelben Konferenzzimmer sitzen sechs Herren: der Meidner, Ferdi Hinterhuber, Manuel Weber, Dr. Schnurer und zwei weitere gewichtige Entscheidungsträger der Firma Grünthal Elektro-Gartengeräte.
Ich bin die einzige Frau. Und ich kann von Glück sagen, dass die Herrschaften mich noch nicht rausgeschickt haben, Kaffee kochen und Häppchen zurechtmachen.
Denn mit kreativem Input meinerseits scheint keiner der Anwesenden zu rechnen. Ferdi geriert sich wortreich als graue Eminenz. Joe hängt seine 35 Jahre Branchenerfahrung an die größte Glocke, die er finden kann. Und Manuel, dieser alte Schleimer, versucht mit einer »gestern Nacht spontan konzipierten« Tischvorlage zu punkten. Was ihm prompt giftige Blicke vom Meidner einträgt. Der hasst es nämlich, wenn ein Subalterner es wagt, seine Chef-Aureole auch nur ansatzweise zu überstrahlen, Tribünentickets hin oder her.
Erregt wogen die Wortbeiträge auf und ab. An einer schnellen, pragmatischen Lösung scheint niemand interessiert. Es gehört für mich zu den großen Rätseln der Menschheit, warum Männer in Sitzungen lieber selbstverliebte Monologe halten, als miteinander zu reden. Uhren im Wert von Tausenden von Euro am Handgelenk, aber nicht für zwei Cent zuhören können.
Egal. Hauptsache, niemand fragt mich nach meiner Meinung. Müde greife ich mir noch einen Konferenzkeks und schaue unauffällig aus dem Fenster. Draußen scheint die Sonne hoch vom Himmel. Genau wie die letzten Wochen. Wochen, die ich im Wesentlichen im Büro verbracht habe. Ich habe zwar noch keinen Schlafsack in meinem Aktenschrank deponiert, um zur Not unterm Schreibtisch übernachten zu können. Doch den allergrößten Teil meines
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