Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
handelt, die direkt auf Hartz IV zumarschieren.
Mensch, Sandra, jetzt mach aber mal ’n Punkt, schimpft mein innerer Staatsanwalt. Wie kannst du dich ernsthaft als zukünftige Langzeitarbeitslose betrachten, wo du noch nicht mal angefangen hast, dich nach einem neuen Job umzuschauen! Jetzt komm erst mal in die Gänge, dann wird sich schon alles fügen.
In die Gänge kommen, aha. Und wie soll das bitte schön gehen, wenn man gerade in einem tiefen Loch feststeckt?, zetert mein Restselbstbewusstsein verbittert. Doch der Herr Staatsanwalt hat seine Sprechstunde schon wieder beendet. Ohne ein weiteres Wort des Trostes lässt er mich in meinem Loch zurück.
Von dem habe ich natürlich schon vorher mal gehört. War mal ein Artikel in Brigitte Woman . Das Loch, in das man fällt, wenn man auf einmal nicht mehr im Hamsterrad mitrennt.
Dabei habe ich mir jahrelang nichts anderes gewünscht. Ich habe von meinem Ausstieg aus der Meidner Fair & Event Design GmbH geträumt wie andere Leute von einer Villa auf den Seychellen. Alles besser, als in dem Laden zu versauern, habe ich immer gedacht.
Und jetzt?
Jetzt fühle ich mich einfach überflüssig. Unnütz. Wie durch den Rost gefallen. Da kann Thomas noch so oft sagen, dass ich mir doch bitte keine Sorgen machen soll. Dass er genug Geld für uns beide verdient. Und dass es für meine Gesundheit bestimmt sowieso das Beste wäre, mal ein Jährchen Pause zu machen.
»Du kümmerst dich nur ein bisschen um Haus und Garten und kannst ansonsten mit Belmondo unser Landleben genießen – wär das nicht schön?«, hat er neulich erst geschwärmt. Wohl unter anderem, um mich dezent dazu zu animieren, meine Suche nach einem geeigneten Häuschen wieder aufzunehmen.
Ich will aber nicht als Hausfrau in der Pampa enden. Vormittags feudeln und nachmittags Sukkulentenfans durch Thomas’ zukünftigen Hauswurzgarten führen? Nein, danke. Ich bin schließlich eine Vollblut-Business-Frau, wie mir seit meinen knallharten Verhandlungen mit Joe Meidner schlagartig klar geworden ist.
Und ohne Business fühle ich mich wie ein Wal auf dem Trockenen. Mein Selbstbewusstsein ist auf zehn Grad unter Kafka gesunken. Schon suche ich ängstlich nach Anzeichen von Mitleid in den Augen aller, die mitbekommen, dass ich derzeit ohne feste Stellung bin.
Wobei meine Mutter es natürlich nicht bei einem mitleidigen Blick hat bewenden lassen. »Sandrakind, wie konntest du das nur tun? Ein unbefristeter Arbeitsvertrag, das ist doch heutzutage fast wie ein Sechser im Lotto!«
Zu dem Zeitpunkt hatte ich ihr bereits mehrfach erklärt, dass mein Chef mich mit allen Mitteln rauswerfen wollte und dass ich deshalb sowieso keine Zukunft mehr bei der Meidner Fair & Event Design GmbH gehabt hätte. Doch meine Mutter ist nicht die Frau, die sich von Argumenten so ohne Weiteres in die Knie zwingen lässt.
»Ach was, das hätte sich schon wieder eingerenkt!«, zeterte sie. »Jedenfalls, wenn du dir ein bisschen Mühe gegeben hättest. Aber nein, anstatt an deine Rente zu denken, musstest du ja einen auf Heldin machen!«
Heldin. Wehmütig denke ich an den Abend zurück, an dem Neele, Renate, Martina und Manuel mich in der ›Pfälzer Weinstube‹ haben hochleben lassen. Sogar Thomas war später dazugekommen, um mitzufeiern. Der gute Silvaner floss in Strömen, und am Ende haben wir zusammen die Internationale gesungen. Es war eine super Stimmung.
Inzwischen kommt mir dieser Abend vor wie Lichtjahre entfernt. Seitdem haben sich Schwung und Zuversicht jedenfalls so klammheimlich aus meinem Gemüt verdrückt wie Zechpreller sich aus einem Terrassencafé.
Jetzt, wo der Dauerstress mit Joe nicht mehr vom Aufwachen bis zum Einschlafen mein Leben bestimmt, habe ich wahrscheinlich einfach zu viel Zeit.
Zeit, die ich leider nicht damit verbringe, Bewerbungsratgeber zu lesen, meinen Lebenslauf zu aktualisieren und mich mit den Jobbörsen im Internet vertraut zu machen.
Sondern damit, in meinen Bauchnabel zu starren und mit meinem Schicksal zu hadern.
Wenn ich’s mir recht überlege, habe ich wahrscheinlich nur deshalb so viel gearbeitet, um mich von den profunden Missständen in meinem Privatleben abzulenken.
»Sandra! Hallo! Jemand zu Hause?« Erschrocken fahre ich zusammen. Daniel fuchtelt mit einem Topflappen vor meinen Augen herum.
»Ich hab dich jetzt mindestens dreimal gefragt, ob ich das Spritzgebäck nun in Kuvertüre tauchen soll oder nicht«, sagt er vorwurfsvoll. »Also echt, da komm ich schon vorbei, um dir beim
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