Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
schließlich weiter.
»Ich schwanke im Fünfminutentakt zwischen ›Es wäre der größte Fehler meines Lebens, ihn rauszuschmeißen‹ und ›Es wäre der größte Fehler meines Lebens, es nicht zu tun‹. Ich schaffe es einfach nicht, eine Entscheidung zu fällen …« Unglücklich bricht sie ab und schnäuzt sich in ihre Papierserviette.
»Kenn ich gut, dieses Gefühl«, sagt Renate mitfühlend. »Mit so Fragen habe ich mich auch mal rumgeschlagen, jahrelang sogar. Was mich betrifft, so musste ich wohl erst krank werden, um ein paar Sachen zu begreifen«, murmelt sie, wie zu sich selbst.
»Wenn du es nicht schaffst, diese Entscheidung zu fällen – dann nimm dir doch einfach etwas anderes vor, das du unbedingt willst, aber bisher nicht geschafft hast!«, schlägt sie Martina schließlich vor. »Als Übung sozusagen. Du wirst sehn, der Erfolg verleiht dir Flügel! Eine Freundin von mir hat sich erst dazu durchringen können, die Scheidung einzureichen, nachdem sie es geschafft hatte, Autofahren zu lernen. Und das mit immerhin Mitte 60!«
»Hehehe, heute Abend steht Kriegsrat auf der Agenda, nicht Paartherapie«, mischt Neele sich ein. Sie wirkt ausgesprochen kampfeslustig. Woher nimmt sie nur diese Energie? Vielleicht kann sie mich ja morgen in dem Gespräch mit Joe vertreten. Er würde danach wahrscheinlich vor lauter Angst spontan umschulen auf Einbauküchenverkäufer, und ich wäre ihn ein für alle Mal los.
»Da gibt es durchaus einen Zusammenhang«, erwidert Renate. »Sandra, hast du dich denn schon zu irgendwas entschlossen? Willst du überhaupt kämpfen? Sei mir nicht böse, aber da hab ich so meine Zweifel. Na ja, und wenn kämpfen: worum? Um deinen Job oder vielleicht einfach um eine fette Abfindung?«
Erwischt. Ich weiß tatsächlich immer noch nicht, ob ich mich gegen den Meidner zur Wehr setzen oder einfach resigniert das Feld räumen soll. Selbst wenn ich ihn zwingen könnte, mich in Lohn und Brot zu lassen, würde er mir auf Dauer garantiert das Leben zur Hölle machen. Als Mobber ist er ja erwiesenermaßen ein Naturtalent.
Nee, dann lieber gleich freiwillig gehen. So habe ich die Sache jedenfalls bis eben gesehen. Bis Renate das schöne Wort »Abfindung« erwähnte. Daran habe ich bisher überhaupt nicht gedacht.
»Meint ihr denn, ich könnte gegen den Meidner ernsthaft was ausrichten?«, frage ich unsicher in die Runde. »Was habe ich denn überhaupt in der Hand?«
Neele schüttelt missbilligend den Kopf. »Mensch, Sandra, jetzt sei nicht so ein Schaf. Hast du etwa immer noch nicht den Arbeitsrechtler angerufen, den ich dir empfohlen habe? Wenn du eine Kündigungsschutzklage einreichen würdest, sähe der Meidner vor Gericht ganz schön alt aus. Da kann er noch so viele fiese Handbücher wälzen. Und dann hast du doch auch so genug gegen ihn in der Hand. Ist doch ganz beachtlich, was du in diesem ›Blackies‹-Ordner auf seinem Rechner so alles gefunden hast. Also ich sage dir, ein paar von meinen Kollegen wären da ganz scharf drauf!«
Renate grinst. Dann zieht sie einen DIN-A 4-Umschlag aus ihrer Handtasche und legt ihn mit großer Geste auf den Tisch. »Hier, Sandra. Kleines Geschenk für dich.«
Neugierig reiße ich den Umschlag auf. Ein paar großformatige Fotos fallen heraus. Alles Detailaufnahmen eines offenbar sehr großen Wohnzimmers. Einiges kommt mir seltsam bekannt vor.
Fragend schaue ich Renate an. Sie grinst noch ein bisschen breiter. »Kannst du dich an diese beiden sündteuren Bodenvasen erinnern, die der Meidner damals unbedingt als Dekoelemente für Messestände anschaffen wollte? Sind dann gleich bei ihrem ersten Messeeinsatz gestohlen worden. War echt schade, tja. Dann der Riesenpapierkrieg mit der Versicherung, bis die endlich gezahlt haben. Und jetzt: Schau dir das an! Die Vasen! Zurück bei Papa; ist das nicht wunderbar?«
Tatsächlich, nun erkenne ich sie. Und ich erkenne noch mehr. Die kristallenen Champagnergläser in der Vitrine mit dem dezent eingeschliffenen »Moulin-Rouge«-Logo. Die beiden extravaganten Zweisitzer aus cremefarbenem Nappaleder, die das Clolux-Marketing vor drei Jahren für die Top-to-Top-Besprechungsecke ihres Messestands hatte kaufen lassen, sie dann aber leider kurz darauf vorzeitig abschreiben musste, weil sie angeblich nicht mehr zu reinigen waren. Der hochflorige Designerteppich, der mal als Blickfang für den Stand einer Inneneinrichtungsfirma angeschafft worden war. Und natürlich die Bang & Olufsen-Anlage. Sie thront auf einem
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