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Weniger sind mehr

Titel: Weniger sind mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Otto Hondrich
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bestmögliche Umstände der Geburt, geschmackvollgesunde Ausstattung des Kinderzimmers, ausgewogen-bekömmliche Babynahrung, tadellose Hygiene mit den schützendsten und praktischsten Utensilien, Vorsorgeuntersuchungen aller Art, Beratungsleistungen bei der geringsten Auffälligkeit ... und so geht es weiter, mit Müttertreffs und Kinderkrippen, biophysiologisch und moralisch unbedenklichem Spielzeug, risikoarm angelegten und makellos sauberen Spielplätzen, spielerischen Begabungsübungen und Vorschulleistungstests, pädagogisch hochsensibilisierten Eltern, professionell examinierten Grundschul- und Sonderlehrern, die in sozialen Brennpunkten von Sozialarbeitern, Coachs, Streetworkern unterstützt werden.
    Man weiß: Angesichts der anhaltenden Klagen über den Rückgang der Geburten und der öffentlichen Schrecksekunden aufgrund gelegentlich publik werdender Integrationsprobleme erscheint dies alles als unzureichend. Es wird also noch mehr und noch Besseres gefordert, von allem: pädagogische, psychologische, sozialarbeiterische Maßnahmen, Integrationshilfen, kommunikationstechnologische Ausstattung und so weiter und so fort.
    Einmal dahingestellt, ob das alles sinnvoll ist: Es zeigt aber, dass die Gesellschaft, ob alt oder jung, unermüdlich ist im Formulieren von Ansprüchen. Die Ansprüche steigern sich und wollen zur individuellen und kollektiven Nachfrage werden. Gut möglich, dass sie andere Nachfragen verdrängen. Für alle Nachfragen zugleich reicht das Geld nicht. Der Wirtschaftsanreger Nachfrage aber bleibt, auch wenn die Zahl der Nachfrager zurückgeht.
    |48| Export
    Dies gilt erst recht für die Nachfrage aus dem Ausland. Sie steigt und steigt und steigt – seit mehr als einem halben Jahrhundert ohne nennenswerten Einbruch, fast ohne Unterbrechung. Es ist nicht nur die Zahl der Nachfrager, die wächst und die in der wachsenden Weltbevölkerung ein fast unerschöpfliches weiteres Wachstumspotenzial enthält. Es ist auch die fortdauernde Qualität und steigende Einzigartigkeit der Produkte selbst, die sie auf dem Weltmarkt so begehrenswert macht. Obwohl eine Reihe ehemals deutscher Forschungsleistungen, etwa in der optischen und elektronischen Industrie, in den vergangenen Jahrzehnten von anderen, besonders den neu aufstrebenden Industrieländern an den Rand gedrängt wurden, blühen andere Branchen wie Maschinen- und Automobilbau sowie Chemie- und Pharmaindustrie durch die gelungene Verbindung von wissenschaftlich-technischer Tradition und innovativer Weiterentwicklung; besonders augenfällig wird dies bei den Werkzeug- und Produktionsmaschinen, in denen herkömmliche, aber immer noch steigerungsfähige Präzision sich mit neuartiger Computersteuerung paart.
    Im Jahr 2005 sorgte der Exportboom für zwei Drittel des deutschen Wachstums. 800 Milliarden Euro nahm die deutsche Industrie ein – von Nachfragern aus aller Herren Länder. Damit war Deutschland Exportweltmeister. Dieser gewaltige Anreiz durch ausländische Nachfrage ist keine vorübergehende Erscheinung, sondern hat einen festen, man möchte sagen: unerschütterlichen Grund in der Entwicklung von fünf Jahrzehnten. Die Nachfrage aus dem Ausland ist selbst zu einer sich verstärkenden Tradition geworden. Und dies, obwohl im Inland über viel zu hohe Lohn- und Lohnnebenkosten geklagt wird!
    Was in Deutschland selten erkannt wird, beobachten die Nachbarn mit kritischer Aufmerksamkeit schärfer: Die Lohnstückkosten, die im vergangenen Jahrzehnt in Spanien um über 30, in Italien um 26 und in Frankreich um rund 12 Prozent gestiegen |49| sind, haben sich in Deutschland nicht erhöht. Im Gegenteil, sie liegen heute um knapp 10 Prozent unter dem Durchschnitt der vergangenen 30 Jahre. Diese günstige Kostenentwicklung schlug sich in Verschiebungen der Nachfrage beziehungsweise der Marktanteile innerhalb der europäischen Währungsunion nieder: Deutsche Produkte konnten ihren Marktanteil im vergangenen Jahrzehnt von 25,3 auf 27 Prozent steigern; Italiens Marktanteil ging von 13 auf 10,6, der französische von 17,2 auf 14,5 Prozent zurück. Das spiegelt sich auch in den Gewinnen der Firmen: In Frankreich machten sie 7,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus, in Deutschland 9,5 Prozent. 2
    Diese Zahlen machen gleich mehrere Dinge deutlich. Zu allererst: Die in Deutschland seit langem auf dem niedrigen Niveau von etwa 1,3 Kindern pro Frau dahindümpelnde Fertilitätsrate verträgt sich prächtig mit satten Nachfrageanreizen, während die aus deutscher

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