Wenigstens für eine Nacht
Teufel hat mich da nur geritten, dass es überhaupt soweit kommen konnte? Egal wie lange und intensiv ich auch darüber nachdenke, es will einfach nicht in meinen Schädel und macht mich noch völlig verrückt. Ich muss hier raus und zwar dringend. Weshalb ich beschließe, einen für mich gänzlich untypischen Spaziergang zu machen und mein Auto bei Niklas abzuholen. Das lenkt mich dann vielleicht auch ein wenig von meinen Selbstvorwürfen ab, die erbarmungslos an mir nagen. Und so dusche ich flink, putze Zähne und verzichte auf Grund von Lustlosigkeit auf jegliches Make-up. Meine Haare binde ich zu einem Zopf und mache mich dann schleunigst auf den Weg, um meine Wohnung endlich zu verlassen. In der ich immer wieder die Bilder vor Augen habe, wie ich mich Sebastian so billig angeboten habe.
Die frische Morgenluft tut gut und nach einer kurzen Überlegung, ob es unhöflich ist Niklas schon kurz nach neun aus dem Bett zu werfen, laufe ich endlich los, nur um ja nicht in meine leere Wohnung zurück zu müssen. Welche Erinnerungen beherbergt, die es nicht geben sollte. Und so komme ich fünfzehn Minuten später atemlos an dem Elternhaus von Niklas an, da ich mich nach wenigen Metern entschlossen habe zu joggen, weil meine Gedanken einfach nicht aufhören wollten, sich um letzte Nacht zu drehen und mir irgendwann mal jemand erzählt hat, das joggen den Kopf frei macht. Was glücklicherweise auch geholfen hat. Bis jetzt. Doch kaum dass ich stoppe, sind die Erinnerungen wieder präsent und ich befürchte fast, den Rest meines Lebens joggend verbringen zu müssen.
Während ich noch versuche meine Atmung wieder halbwegs zu kontrollieren, da ich solche körperlichen Aktivitäten rein gar nicht gewohnt bin, drücke ich die Klingel und hoffe niemanden zu wecken. Doch es dauert keine Minute, als eine junge Frau die Tür öffnet und mich freundlich fragend anlächelt.
„Guten Morgen. Ist Niklas schon auf? Ich wollte mein Auto wieder abholen“, erkläre ich ihr bereitwillig und deute mit der Hand über meine Schulter zu meinem kleinen Flitzer, der am Straßenrand steht.
„Klar. Komm doch rein“, bittet sie mich einzutreten und schließt hinter mir die Tür, um die Kälte auszusperren.
„NIKLAS?“, ruft sie an der vor uns liegenden Treppe nach oben, woraufhin sich umgehend eine Tür öffnet und Niklas am Geländer des oberen Flures auftaucht.
„Was? Oh, hi Julian. Komm doch hoch“, winkt er mich zu sich, sobald er mich entdeckt hat und ich folge seiner Aufforderung kommentarlos, während seine Mutter auf ihn einredet.
„Kannst du bitte Lennox Bescheid sagen, dass der Kaffee fertig ist und er ihn holen soll? Und frag die beiden gleich mal, ob Sebastian zum Mittag bleibt“, verlangt sie von Niklas und lässt mich auf der vorletzten Stufe der Treppe stoppen.
„Jetzt komm schon“, winkt Niklas ungeduldig und wendet sich anschließend ab, um den Auftrag seiner Mutter auszuführen.
„Ey, Mum sagt du sollst den Kaffee holen und will wissen, ob Sebastian zum Essen bleibt“, steckt er seinen Kopf in das Zimmer aus dem er eben gekommen war und gerade als ich im Begriff bin mich umzudrehen, um wieder zu verschwinden, taucht Lennox im Türrahmen auf und entdeckt mich.
„Hey Julian“, begrüßt er mich lächelnd und hindert mich an einer Flucht , weil es furchtbar peinlich wäre, wenn ich jetzt völlig überstürzt nach unten rennen würde. Und so hoffe ich einfach auf ein kleines bisschen Glück, dass Sebastian es im Zimmer nicht mitbekommen hat und ich unbemerkt von ihm in Niklas Reich verschwinden kann. Weshalb ich jetzt auch hastig die letzte Stufe bezwinge und ein geflüstertes „Hi“ für Lennox aufbringe.
Tief die angehaltene Luft ausatmend, lasse ich mich in Niklas Zimmer auf einen Sessel fallen und lege meinen Kopf auf die Rücklehne, weil ich mich schlagartig wieder völlig ausgelaugt fühle.
„Alles klar bei dir?“, richtet sich Niklas daraufhin mit einem skeptischen Gesichtsausdruck an mich und bringt mich ins Schwitzen. Er sieht mich mit einer Eindringlichkeit an, als könne er direkt in meinen Kopf hineinsehen und lesen was in mir vorgeht, sodass ich mich mit einem knappen Nicken abwende und interessiert seine vielen Poster an der Wand betrachte. Ablenkung ist alles.
„Möchtest du was trinken?“, springt er im nächsten Moment wieder von seinem Bett hoch, auf das er sich gerade erst
gesetzt hat und lenkt meine Aufmerksamkeit wieder auf sich, sodass ich lächelnd „ 'ne Cola,
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