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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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auch nur
zugeben, daß eine solche existierte. Vielleicht wußten sie ja nichts davon; RKI
gibt Mitarbeitern grundsätzlich nur die unbedingt nötigen Informationen — eine
Politik, die in der Vorgeschichte der Firmenchefs gründet.
    Renshaw war lange bei der
Drogenfahndungsbehörde DEA gewesen, zuletzt in einer inzwischen aufgelösten
Elite-Spezialeinheit. Kessel hatte eine eigene Chartergesellschaft geleitet,
die heikle und nicht immer ganz astreine Transportmissionen in Südostasien
durchgeführt hatte. Und Hy hatte viele dieser Missionen geflogen und aus Asien
eine Last an Schuldgefühlen und Alpträumen mit zurückgebracht, die für mehrere
Menschenleben ausreichte. Pseudoagentenspielchen lagen allen dreien im Blut,
waren aber nicht mein bevorzugter Zeitvertreib. Jetzt wurmte es mich, daß ich
zur unfreiwilligen Mitspielerin geworden war.
    Es war eine Erlösung, als es
endlich halb zwei war. Ich steckte meine Akten in meine Mappe und strebte zur
Tür. Und genau in diesem Moment klingelte das Telefon.
    »Verdammt!« Ich guckte mich
nach dem Telefon um, versucht, den Anruf auf Band gehen zu lassen. Aber
vielleicht war es ja wichtig...
    »Sharon?« Gage Renshaws Stimme.
    »Wird auch Zeit!«
    »Was soll das heißen? Ich habe
fünf oder sechs Botschaften auf Ihrem Anrufbeantworter hinterlassen.«
    »Wann?«
    »Gestern, vorgestern.«
    Oh, verdammt, jetzt löschte sie
nicht mehr nur Hys Botschaften, sondern auch die von Renshaw! Nach dem letzten
Vorfall hatte ich den Fernabfragecode geändert, aber es gab nur eine begrenzte
Zahl von möglichen Ziffernkombinationen, und jemand wie D’Silva konnte den
neuen Code leicht knacken.
    »Sharon, ich kann nicht lange
reden, also hören Sie gut zu. Wo sind Sie heute nachmittag und abend?«
    »...Weiß ich nicht genau. Ich
kann Ihnen ja meine Handynummer geben.« Ich gab sie ihm durch und wiederholte
sie noch mal. »Warum —«
    »Keine Zeit für Erklärungen. In
den nächsten, sagen wir, sechs Stunden werden Sie einen Anruf kriegen. Entweder
von Ripinsky oder von mir.« Er legte auf.
    Ich starrte den Hörer an und
knallte ihn dann auf die Gabel. Gott, wie ich diese kryptischen Sprüche haßte!
Was Gage meinte, war, daß die Sache — vermutlich eine Geiselbefreiung oder eine
Lösegeldübergabe — demnächst entschieden sein würde. Falls zum Positiven, würde
Hy sich melden. Falls zum Negativen, würde ich von Gage hören. Und wenn ich von
Gage hörte, konnte das heißen — Mir verschwamm alles vor den Augen, und ich
verlor für einen Moment das Gleichgewicht. Ich hielt mich an der Armlehne des
Sessels neben mir fest und schüttelte den Kopf, um ihn wieder klar zu kriegen.
Verscheuchte die Panik.
    Ich würde von Hy hören.
Irgendwann in den nächsten sechs Stunden. Daran zu glauben war die einzige
Möglichkeit, weiterzumachen.
     
    Greg sagte: »Was du da hast,
reicht nicht, um offizielle Maßnahmen einzuleiten.«
    »Das habe ich befürchtet.« Ich
stand auf, begann in seiner kleinen Bürozelle neben dem Dienstraum der
Drogenfahndung auf und ab zu tigern, dann blieb ich stehen, um an die
Fensterscheibe zu klopfen, weil draußen gerade eine Taube auf den Sims schiß.
Sie ignorierte mich.
    »Kannst du nicht irgendwas
Inoffizielles tun?«
    »Ich kann unsere Leute bitten,
die Augen nach ihr offenzuhalten, und dir Bescheid sagen, wenn sie gesichtet
worden ist.«
    »Das wäre nett.« Ich
marschierte weiter auf und ab.
    Greg telefonierte und gab die
Beschreibung D’Silvas und ihres Wagens durch. Dann sagte er: »Shar, setz dich
hin. Du mußt lockerlassen.«
    Ich setzte mich hin.
    »Ich habe dich noch nie so
unter Spannung gesehen — nicht mal in Fällen, wo du persönlich sehr betroffen
warst.«
    »Persönlicher geht’s wohl
nicht, oder?«
    Mein schneidender Unterton ließ
ihn die Stirn runzeln. »Da ist doch noch irgendwas. Was?«
    Ich guckte achselzuckend weg.
    »Hey, Shar, ich bin’s, Greg.«
    Nach kurzem Zögern sah ich ihn
an, und plötzlich spürte ich wieder diese immense Dankbarkeit dafür, daß wir es
geschafft hatten, eine kaputte Liebesbeziehung in eine Freundschaft
umzuwandeln. Sein schiefes Antwortgrinsen ließ meine Abwehr zusammenbrechen,
und ich biß mir auf die Lippe, um nicht loszuheulen. Dann sprudelte alles aus
mir heraus, die ganze Geschichte von Hys Schweigen und Gage Renshaws Anruf.
»Und zu allem«, sagte ich, »versuche ich auch noch, mit dieser D’Silva-Sache
umzugehen. Und am schlimmsten ist, daß ich das Gefühl habe, ich habe irgendwas
Wichtiges

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