Wenn alle anderen schlafen
zu
überlassen. Keim hatte den Kopf durch den Türspalt gesteckt und gesehen, daß
ich beschäftigt war, und wollte sich wieder zurückziehen. Ich entschuldigte
mich bei D’Silva und fragte: »Was ist, Charlotte?«
»Mick und ich sind jetzt
abfahrtbereit. Touchstone ruft.«
»Die Schlüssel sind in meiner
Tasche an der Garderobe — der Ring mit dem Möwenanhänger.«
»Sehr passend für ein Refugium
am Meer.«
»Kann sein, aber soll ich dir
was sagen? Ich hasse Möwen. Das sind unverschämte, gefräßige Viecher. Ich hab
mal gesehen, wie eine einen Dollar gefressen hat, den jemand als Trinkgeld auf
einer Restaurantterrasse hatte liegenlassen.«
»Warum hast du dann den
Schlüsselring?«
»Aus demselben Grund, aus dem
Hy eine Möwe auf seinem Flugzeug hat — das ist das Emblem der Freunde des Tufa
Lake, seiner Umweltschutzstiftung.«
D’Silva hatte während dieses
kurzen Gesprächs höflich durchs Fenster auf die Bay hinausgeschaut und so
getan, als hörte sie nicht zu. Doch tatsächlich hatte sie jedes einzelne Wort
im Geist notiert. Und von da aus war es nicht mehr schwer gewesen, die genaue
Adresse herauszufinden.
Ich orientierte mich an der
Ranch unmittelbar an der Küste und korrigierte meinen Kurs um ein paar Grad
nach Norden. Nahm dann noch mehr Gas weg und begann, nach den
Sicherheitsleuchten Ausschau zu halten, die den Rand unseres Grundstücks
markierten. Sie funktionierten; D’Silva hatte sie nicht lahmgelegt, und ich
wußte, warum: Sie wollte, daß ich kam.
Unsere Landebahnbeleuchtung war
eine simple und vergleichsweise billige Anlage. Ich aktivierte sie über eine
bestimmte Funkfrequenz, und die Bahnumrisse leuchteten weiß auf. Ich ging in
den Gegenanflug, registrierte den starken Seitenwind, stellte die
Vergaservorwärmung an, nahm noch etwas Fahrt weg.
Jetzt hat sie das Motorgeräusch
gehört. Sie wartet auf mich.
Als ich in den Queranflug ging,
legte ich die Maschine mit Quer- und Gegenruder in einen Gleitflug, um Höhe zu
verlieren. Irgendwo dort unten steht sie und beobachtet mich.
Im Endanflug jetzt, sehr
starker Seitenwind von Westen. Die Citabria trieb leicht von ihrem Gleitweg ab,
aber ich slippte in den Wind und korrigierte so die Flugrichtung.
Sie ist —
Du darfst jetzt nicht an sie
denken. Konzentrier dich drauf, die Bahn zu treffen.
Geschwindigkeit gut. Höhe gut.
Auf etwa 300 Fuß schaltete ich die Landescheinwerfer aus, damit der Boden nicht
so auf mich zustürzte.
Zehn Fuß, abfangen. Fühl die
Sinkbewegung. Benutz deine Füße, halt die Maschine zentriert. Fühl, wo die
Räder sind, nur Zentimeter über dem Boden. Und halten...
Hey, was sagt man dazu! Eine
perfekte Dreipunktlandung. Gutes Omen.
Ich rollte dahin, bremste ab,
steuerte zwischen die Halteketten, die in die Betonfläche neben der Bahn
eingelassen waren. Stellte den Motor ab, nahm die .357 aus meiner Tasche und
stellte mein Handy wieder an. Es war mir schwergefallen, es für den Flug
auszuschalten, weil es ja sein konnte, daß der versprochene Anruf von Hy oder
Renshaw kam, aber im Flugzeug darf man kein Handy benutzen, weil es den Funk
stört.
Ich blieb noch einen Moment im
Cockpit sitzen, starrte ins Dunkel, sah nichts. Dann beeilte ich mich,
auszusteigen und die Citabria straff festzuketten, ehe sich die
Landebahnbeleuchtung automatisch abschaltete. Der Wind hatte mehr als die
fünfzehn oder sechzehn Knoten, die Sonny West geschätzt hatte. Die Nebelbank
hatte sich nicht weiterbewegt, aber einzelne Nebelfetzen drifteten hoch am Himmel.
Drunten krachte das Meer gegen die Felsen.
Die Rollbahnbeleuchtung
schaltete sich aus, ließ mich in völligem Dunkel zurück.
Wo ist sie ?
Das Handy piepte.
Ich riß es aus meiner Tasche
und klappte es auf. Ehe ich mich melden konnte, sagte eine mir bekannte Stimme:
»Raten Sie mal, von wo ich anrufe.«
Ich starrte auf das dunkle
Steinhaus.
»Jederzeit, McCone. Jederzeit.«
Obwohl ich gewußt hatte, wo sie
war, packte mich doch eine schier unkontrollierbare Wut. Sie hatte Hys und mein
Heiligtum geschändet, den Ort, den wir nur mit den Menschen teilten, die uns am
nächsten standen. Sie war durch unsere Räume gegangen, hatte jeden einzelnen
Gegenstand inspiziert. Sie hatte an unseren Fenstern gesessen, unser
Meerespanorama betrachtet. Sie hatte unser Telefon benutzt. Sie hatte in
unserem Bett geschlafen.
Ihre Infamie stärkte meine
Entschlossenheit. Das war garantiert ihr letzter Einbruch in mein Leben.
Okay, McCone, denk nach.
Versetz dich in
Weitere Kostenlose Bücher