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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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beschlossen, die Miete so weit raufzusetzen, daß sich niemand mehr gefunden
hat. Bis schließlich Ms. Elizabeth kam und danach gefragt hat.«
    »Sie hat speziell nach diesem
Apartment gefragt?«
    »Na ja, klar. Ich hatte vorn
ein Schild hängen — Studio zu vermieten. September, ja, ich bin mir ziemlich
sicher.«
    Also hatte diese Obsession
schon vor sechs Monaten beunruhigende Ausmaße angenommen. »Was wissen Sie sonst
noch über sie?«
    Tim trank sein Bier aus und
ging ein neues holen. »Okay, sie bringt unter der Woche Männer her, manchmal
auch am Wochenende. Aber keine halbseidenen Typen. Sehen aus wie bessere
Leute.«
    »Immer andere Männer oder auch
welche, die schon mal da waren?«
    »Manche kommen wieder, aber
nicht viele.«
    »Das klingt, als ob Sie sie
beobachtet hätten.«
    »Wer würd das nicht tun? Sie
ist nicht wie andere Nutten.«
    »Inwiefern?«
    Er runzelte angestrengt die
Stirn, rollte die Bierdose zwischen den Handflächen. »Na ja, sie ist
intelligent. Sieht man an ihren Augen. Und gebildet, das merkt man dran, wie
sie redet. Aber es ist vor allem die Art, wie sie sich verhält. Manchmal hat
man das Gefühl, sie ist gar nicht richtig da. Als ob sie weit weg ist, in einer
Traumwelt. Vielleicht, als ob sie jemand anders wär.«
    Jemand anders? Ich.
    »Haben Sie sich mal in ihrer
Wohnung umgeguckt?«
    »So was würd ich nie machen!«
Er setzte sich gerader auf, versuchte beleidigt zu gucken.
    »Ach, kommen Sie, Tim, ich
kenne Sie doch. Und vergessen Sie nicht — Sie reden mit einer Person, die
gerade widerrechtlich in dieses Haus eingedrungen ist.«
    Reuiges Lächeln. »Na ja, okay,
ich war drin.«
    »Und?«
    »Nichts Interessantes. Nichts
Persönliches, was einem verraten würde, wer sie ist oder wo sie herkommt. Noch
nicht mal viele Kleider. In der Küche nur Alkoholisches und Knabberzeug, im Bad
der übliche Frauenkram. Kein Telefon, und sie kriegt auch keine Post hierher.
Wie gesagt, das Studio ist nur ihr Arbeitsplatz.«
    »Wann haben Sie sie zuletzt
gesehen?«
    »Heute abend, so um sieben
etwa.«
    Verdammt, wieder war ich dicht
dran gewesen, und wieder war sie mir entwischt. Hatte sie das inszeniert?
    Wenn sie die Wohnung in der
Mariposa Street, wie ich annahm, verkabelt hatte, wußte sie jetzt, daß ich ihre
Identität herausgefunden hatte. Vielleicht wußte sie sogar, daß ich mit Russ
Auerbach gesprochen hatte. Aber nach Paradise war ich per Sichtflug geflogen,
ohne vorher einen Flugplan abgeben zu müssen; sie konnte unmöglich wissen, daß
ich dort mit Leuten aus ihrer Vergangenheit geredet hatte. Es sei denn, sie
hatte Kontakt zu jemandem von ihnen...
    »Tim«, sagte ich, »was hat...
Ms. Elizabeth gemacht, als Sie sie gesehen haben?«
    »Sie ist weggegangen, allein,
mit einem kleinen Koffer. Ich hab hallo gesagt und gefragt, ob sie übers
Wochenende verreist. Sie hat gesagt, ja, und es würde ein tolles Wochenende
werden, weil sie auf Strandspaziergänge steht.«
    »Fällt Ihnen sonst noch was zu
ihr ein? Irgendwas?«
    Er überlegte, die Arme auf der
Stuhllehne. »Warum fragen Sie — hat sie was Schlimmes angestellt?«
    Ich nickte.
    »Hat sie jemandem was getan?«
    »Ja.«
    »Okay, dann sag ich Ihnen meine
persönliche Meinung über Ms. Elizabeth: Sie hat was Unheimliches an sich. Was,
was einem angst macht. Wer sich mit der anlegt, muß aufpassen.«
     
    Heute nacht bin ich rastlos. Es
ist schon reichlich nach zwei Uhr, aber ich will noch nicht nach Hause. Mein
Zuhause erscheint mir infiltriert, obwohl es schon fast zwei Wochen her ist,
daß Lee D’Silva dort eingebrochen ist. Also fahre ich von der City aus nach
Süden.
    Und außerdem, wieso soll ich in
ein Haus zurückkehren, wo das Telefon nie den Anruf signalisiert, den ich so
dringend brauche? Ich werde weiterfahren, bis ich erschöpft bin.
    Weiterfahren über die
County-Grenze, da wo der Skyline-Boulevard dicht ans Meer heranführt. Dort
unten sind die alten Reitställe, wo die Tochter einer Freundin von mir früher
Reitstunden hatte. Ich habe sie manchmal hingebracht, wenn ihre Mom nicht
konnte, und dann hörte ich eines Tages im Autoradio, daß die Ställe in Flammen
aufgegangen und viele Pferde umgekommen waren. Sie kam aus der Schule gerannt —
ein fröhliches kleines Mädchen im flotten Reitdreß — , und ich mußte es ihr
beibringen. Ich werde nie den Ausdruck auf ihrem Gesicht vergessen, als ihr zum
ersten Mal dämmerte, daß diese Welt ein trauriger und brutaler Ort sein kann.
    Später stellte sich heraus,

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