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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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nicht unansehnlich war. Dann knurrte er:
»Was zum Teufel wollen Sie hier?«
    »Nette Begrüßung nach all den
Jahren.« Ich zwängte mich an ihm vorbei in die kleine Wohnung. Die einst grünen
Schlacksteinwände waren jetzt weiß, und seine scheußlichen
Kitschbilder-auf-Samt waren durch Indioumhänge und einen riesigen, vergoldeten
Sombrero ersetzt, aber das Mobiliar war noch das alte. Ich streckte ihm die
Flasche Deer Hill hin, ließ mich auf das schäbige Kunstledersofa plumpsen und
lächelte.
    Tim betrachtete die Flasche,
als enthielte sie Lebertran, gab sie mir dann wieder und zog den Bademantel
enger um seine beträchtliche Mitte. »Verdammich, Sie ziehen hier weg, melden
sich kein einziges Mal und meinen dann, Sie können einfach mitten in der Nacht
hier reinplatzen?«
    Ich lächelte weiter. Er hatte
mich stets diverser Missetaten geziehen, aber auf seine poltrige Art mochte er
mich.
    »Ja, grinsen Sie nur. Sie
halten sich jetzt bestimmt für Gottweißwas. Ich hab Sie im Fernsehen gesehen,
wie Sie über ihre neue Detektei geredet haben.«
    »Dann wissen Sie ja, daß ich
mich nicht verändert habe. Diese Fernsehsendung war schrecklich, und im übrigen
bin ich immer noch die, über die Sie sich geärgert haben, weil sie ihren Müll
nicht ordentlich entsorgt hat.«
    »Tun Sie wohl immer noch nicht,
was?«
    »Nein.«
    »Das Gesöff da wollen Sie ja
wohl nicht trinken.« Er zeigte auf die Weinflasche. »Wie wär’s mit einem Bier?«
    »Gern.«
    »Kommt sofort.«
    Er ging in die Küche, kam mit
zwei Dosen Bud wieder, drückte mir eine in die Hand, drehte einen Stuhl mit der
Lehne zu mir und setzte sich rittlings darauf. »Also, wie sind Sie hier
reingekommen — eingebrochen? Die Schlösser sind seit ihrem Auszug alle bestimmt
ein Dutzend mal ausgewechselt worden. Das Haus ist jetzt sicher.«
    »Dann gucken Sie besser morgen
früh mal nach dem Oberlicht.«
    »Verdammt.« Er trank, wobei ihm
etwas Bier übers Kinn rann. Er wischte es mit dem Ärmel ab. Ich versuchte mich
zu erinnern, wann ich ihn jemals ohne Bierdose in der Hand gesehen hatte, aber
mir fiel nichts ein. Er war einer dieser steten Trinker, die von Morgens bis
Mitternacht einen bestimmten Pegel aufrechterhalten, aber trotzdem ihren
Aufgaben nachkommen können.
    »Warum haben Sie nicht
geklingelt wie ein normaler Mensch?« fragte er. »Sie hätten sich ein Bein
brechen können und die Hauseigentümer verklagen. Dann war ich geliefert
gewesen.«
    »Ich glaube kaum, daß ich wegen
eines Unfalls, der mir widerfährt, wenn ich gerade widerrechtlich in ein Haus
eindringe, vor Gericht ziehen würde.«
    »Ach, nee? Einbrecher klagen
doch andauernd. Die zahlen so ihre Anwälte.«
    Eine scheinbar absurde
Behauptung — aber das Absurdeste war, daß es stimmte.
    Tim fragte: »Also, was ist? Hat
Sie der Drang überkommen, ihrem alten Heim einen Besuch abzustatten?«
    Ich nahm einen kleinen Schluck
Bier. »Ehrlich gesagt, ich interessiere mich für die jetzige Mieterin meines
alten Apartments.«
    »Aha!« Er lächelte wissend.
»Jemand ist Ms. Elizabeth und ihrer Heimarbeit auf die Schliche gekommen!«
    »Ms. Elizabeth?«
    »Der Mieterin.«
    Elizabeth ist mein kaum je
benutzter zweiter Vorname. »Was für eine Heimarbeit?«
    »Um’s taktvoll zu sagen, die
Frau ist eine Hure, und Ihre alte Wohnung ist ihr Arbeitsplatz. Sie kommt nur
her, wenn sie einen Freier im Schlepptau hat.«
    »Wie oft passiert das?«
    »Drei-, viermal die Woche.«
    »Keine besonders erfolgreiche
Hure demnach.«
    »Okay, ein teures
Edel-Callgirl, dessen Kunden nicht wählerisch sind, was die Umgebung angeht.«
    »Wieso haben Sie dann an sie
vermietet?«
    »Ich hab’s erst nicht gewußt.
Sie wirkte ganz anständig, aber auch wenn’s nicht so gewesen wäre... Verflixt,
Shar, hier ist alles nicht mehr so wie früher. Ms. Elizabeth zahlt ihre Miete
bar und pünktlich. Ist nicht auf Drogen, kotzt nicht in den Eingangsflur, hat
keinen lauten Streit mitten in der Nacht — was mehr ist, als man von den
meisten anderen Mietern sagen kann.«
    »Wie lange hat sie das Studio
schon?«
    Er dachte nach. »Seit
September? Oktober? Weiß nicht mehr genau. Nachdem Sie ausgezogen waren, hat
jahrelang ein nettes vietnamesisches Ehepaar drin gewohnt. Im letzten April ist
die Frau auf dem Weg vom Wagen zum Haus überfallen worden, und sie sind
schleunigst weggezogen, zu Verwandten in Modesto. Danach hat der Hauseigentümer
— ein neuer, kümmert sich einen Scheiß um das Haus oder die Mieter — , also, er
hat

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