Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
daß
der Brand vom Boß einer Erschließungsgesellschaft gelegt worden war, der das
Land wollte. Ein Mann mit einem Programm, und zur Hölle mit den anderen.
    Ein Programm — wie Lee D’Silva
eins hatte.
    Jetzt rase ich durch den
schlafenden Vorort Pacifica. Schlängle mich durch das Tal zu der immer noch
wilden Küste von San Mateo-County. Schneide die gefährlichen Kurven des Devil’s
Slide — viel zu schnell, aber das ist mir egal. Half Moon Bay rauscht als
verschwommene Aneinanderreihung von geschlossenen Geschäften und dunklen
Häusern an mir vorbei, und jetzt weiß ich, wo ich hin fahre.
    Der Staatsstrand von San Gregorio.
Ich parke auf dem leeren Parkplatz, ziehe den Reißverschluß meiner Fliegerjacke
zu und marschiere los, über den Sand.
    Da sind Höhlen in den Klippen,
von den Wellen ausgewaschen. Genau wie in Bootlegger’s Cove, unterhalb von
Touchstone, unserem Haus. Ich schätze, das war’s, was mich hierhergezogen hat —
die Ähnlichkeit mit dem Ort, den ich so liebe wie keinen anderen auf der Welt.
Weil ich ihn mit Hy teile.
    Teile. Nicht geteilt habe.
    Der Sand ist kalt und feucht,
und das harte Mondlicht läßt die Brandung schimmern. Es ist Ebbe, aber die
Wellen rollen trotzdem unablässig heran, knabbern am Rand des Kontinents. Nach
einer halben Meile etwa überkommt mich Ruhe, weil ich in meinem Element bin.
    Wasser: ebenso mein Element wie
die Luft.
    Schon seit meiner Kindheit
suche ich immer das Wasser, wenn ich aufgewühlt bin. Nicht, weil es schön oder
friedlich wäre, sondern weil es so perfekt die Natur des Lebens selbst
spiegelt: wechselnde Strömungen, Strudel, Wellen und — manchmal — Gewalt. Heute
nacht hilft es mir zu begreifen, was ich in den letzten beiden Wochen erfahren
habe. Jeder Mensch hat etwas, was ihm die Illusion persönlicher Sicherheit gibt. Für manche ist es der
sichere Job, daß Türen und Fenster geschlossen und gesichert sind, daß die
Kinder gut zugedeckt im Bett Hegen. Für andere ist es Geld oder Macht und sich
alles und alle kaufen zu können. Für wieder andere ist es ein vergleichsweise
warmer und trockener Ort, wo sie bis Sonnenaufgang unterkriechen können.
    Für mich aber ist es die
Verbindung zu Hy — das und eine weitgehend falsche Grundannahme.
    Diese Grundannahme besagt, wie
mir jetzt klar ist, daß alle Menschen — wer sie auch immer sein mögen — aus
verständlichen, wenn auch manchmal verborgenen Motiven heraus handeln. Sie
wollen bestimmte Dinge und verhalten sich in einer Weise, die dazu angetan ist,
es zu kriegen. Diese Grundannahme ist die Wurzel meiner Schwierigkeiten, Lee
D’Silva zu verstehen. Sie will etwas von mir, und sie tut all diese Dinge, um
es zu kriegen, sie hinterläßt mir ständig Botschaften. Aber es sind Botschaften
in einer psychologischen Sprache, die sich von allen mir bekannten
unterscheidet.
    Was bedeuten diese Botschaften?
    Was zum Teufel will sie von
mir?
     
     
     

Samstag
     
    Als ich um kurz vor vier ins
Bett kroch, rechnete ich nicht damit, überhaupt ein Auge zuzutun, doch gegen
Sonnenaufgang döste ich weg, und als ich wieder aufwachte, war es schon nach
zehn. Die physische und psychische Erschöpfung hatte mich schließlich doch
eingeholt. Jetzt fühlte ich mich ausgeruht und klar im Kopf, bis auf das
nagende Gefühl, daß ich irgendwas Wichtiges übersehen hatte. Ich versuchte beim
Duschen und Anziehen draufzukommen, was, gab es dann aber auf. Ich hatte
Wichtigeres zu tun, beispielsweise mich mit Greg Marcus zusammenzusetzen, um zu
prüfen, ob ich genug gegen D’Silva beisammen hatte, damit das Police Department
einen Haftbefehl gegen sie erlassen konnte. Wenn ja, würde Greg mich an einen
Beamten verweisen können, der das rasch und diskret erledigte.
    Greg hatte zwar Dienst, hatte
aber vor vierzehn Uhr keine Zeit für mich, also telefonierte ich erst mal. Mit
Tamara Corbin, um ihr zu sagen, sie solle D’Silvas Wohnung in Potrero Hill
nicht weiter beobachten. Mit Rae, um mich zu erkundigen, wie es im Büro so
lief, wobei ich feststellen mußte, daß offenbar auch ohne mich alles bestens
klappte. Mit Russ Auerbach und Misty Tyree, wobei sich nicht viel Neues ergab.
Und mit der RKI-Zentrale in La Jolla sowie der Niederlassung in Buenos Aires.
    Gage Renshaw und Dan Kessell
waren entweder nicht in der Zentrale oder ließen mich abwimmeln — wobei ich auf
letzteres tippte. Weder dort noch in Buenos Aires wollte mir irgend jemand
etwas über die Krisensituation sagen, mit der Hy befaßt war, oder

Weitere Kostenlose Bücher