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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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sie hinein. Was denkt sie, was du jetzt tun wirst ?
    Die Polizei rufen? Bestimmt
nicht. Sie weiß, daß das eine Sache zwischen uns beiden ist.
    Sie da rauslocken, in der
Hoffnung, sie im Dunkeln und auf unbekanntem Terrain austricksen zu können?
Möglich, also hat sie die Topographie studiert.
    Eine Ablenkung inszenieren und
sie dann überrumpeln? Auch möglich, also wird sie auf der Hut sein.
    Ins Haus stürmen, mit gezogener
Waffe? Wahrscheinlich legt sie es darauf an — ein Duell auf Leben und Tod. Was
heißt, daß sie gerüstet ist.
    Das bringt dich nicht weiter.
Geh’s andersrum an: Womit rechnet sie nicht?
    Sie rechnet nicht damit, daß
ich gar nichts tue.
    Wenn du an ihrer Stelle wärst
und sie gar nichts täte, wie würdest du dann reagieren?
    Klar: Ich würde sie zum Handeln
zwingen.
    Ich kehrte dem Haus den Rücken
und stieg wieder in die Citabria. Schloß die Tür und griff nach der
Nachtsichtbrille, die ich bei der Ermittlungstechnik-Firma in San Francisco
gemietet hatte. Ursprünglich für Militärpiloten bei Nachteinsätzen entwickelt,
machen diese Brillen die finsterste Nacht zum Tage, lassen dabei aber die Hände
frei zum Steuern — oder Kämpfen. Alles für die Kleinigkeit von 8000 Dollar.
    Nachdem ich mir das sperrige
Sichtgerät übergestreift und den Riemen so verstellt hatte, daß es fest, wenn
auch nicht allzu bequem, auf meiner Nase saß, sah ich mich um. Das Häuschen und
das umliegende Gelände waren jetzt etwa so gut erkennbar wie an einem grauen
Tag. Ich justierte die Scharfstellung und lehnte mich zurück, um zu warten.
    Die Nachtkälte wurde jetzt
grimmiger, aber meine Körperwärme heizte das kleine Cockpit bald auf. Ich
schaute zum Himmel empor, sah hoch dahinjagende Nebelfetzen vor dem hellen
Schein eines fast vollen Monds. Der starke Wind beutelte die Maschine, bewegte
Quer- und Höhenruder; die Halteketten ächzten unter dem Zug.
    Eine halbe Stunde tat sich gar
nichts. Dann piepte mein Handy. Ich zögerte: Wenn es D’Silva war, wollte ich
lieber ihre Anspannung steigern, indem ich nicht reagierte. Aber wenn es Hy
war...
    »Was ist los, McCone? Haben Sie
Angst vor mir?«
    Ich unterbrach die Verbindung.
    Eine weitere halbe Stunde. Dann
ein weiterer Anruf: »Falls Sie mir das Sheriff’s Department auf den Hals
gehetzt haben, haben die offensichtlich Probleme, hierherzufinden.«
    Ich unterbrach die Verbindung
und lächelte. Diesmal war da ein nervöser Unterton in D’Silvas Stimme gewesen.
Es lief nicht so, wie sie sich das gedacht hatte. Früher oder später würde sie
der stummen Herausforderung nicht mehr widerstehen können.
    Ich legte das Handy aufs
Instrumentenbrett, wünschte, daß endlich der Anruf käme, auf den ich sehnlichst
wartete. Renshaw hatte um halb sieben gesagt, ich würde binnen sechs Stunden
etwas hören; der versprochene Anruf war jetzt schon anderthalb Stunden
überfällig. Klar, er oder Hy konnte es probiert haben, während ich in der Luft
gewesen war, aber hätte es nicht jeder von beiden inzwischen noch mal versucht?
Das Schweigen beunruhigte mich; Gage unterschätzte selten eine Situation oder
einen zeitlichen Ablauf. Vierzig Minuten vergingen, bis das Handy wieder
piepte. Ich wartete bis zum dritten Signal, ehe ich mich meldete.
    »McCone, ich weiß, was Sie
wollen. Sie wollen, daß ich mich zeige. Das ist es doch, oder?«
    Ich unterbrach die Verbindung.
    Jetzt war die Nervosität in
ihrer Stimme unüberhörbar gewesen. Ich kochte sie langsam weich. Ich
beobachtete das Häuschen genau, fühlte mich in ihre Anspannung ein. Sie war
hin- und hergegangen, durch die beiden Räume. War öfters stehengeblieben, um
zur Citabria hinüberzuschauen. Ihre Augen suchten das Terrain ab, für den Fall,
daß ich irgendwie aus der Maschine geschlüpft war und jetzt auf das Häuschen
zuschlich. Sie fragte sich, was tun, wenn ich mich bis zum Morgen immer noch
nicht gerührt hätte.
    Ich genoß es, den Spieß
umzudrehen. Ich würde sie genauso quälen, wie sie mich gequält hatte.
    Eine weitere Stunde verging.
Keine neuen Anrufe. Keine Bewegung im oder beim Haus. Der Wind blies stetig;
die Nebelbank kroch näher. Im Cockpit wurde es jetzt zu warm. Ich öffnete das
Fenster, ließ einen Schwall Seeluft herein. Die Brandung schlug heftig gegen
die Felsen, und hinter dem Häuschen spritzte Gischt hoch empor. Zwanzig Minuten
später: Eine Gestalt in Jeans und Daunenjacke rannte hinter dem Häuschen hervor
und verschwand zwischen den umstehenden Zypressen. Für einen Moment

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