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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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dumm und überheblich.
    Die Citabria hatte jetzt fast
Abhebegeschwindigkeit. Sie begann zu hüpfen — wollte fliegen. Ich blieb auf
halber Strecke stehen und beobachtete das Geschehen, die Hände zu Fäusten
geballt.
    Die Maschine hob ab, im
Seitenwind nickend und kippelnd. Ich hielt den Atem an, wußte nicht, ob ich
mich auf eine Überziehsituation oder ein Abschmieren gefaßt machen sollte — in
dieser geringen Höhe wäre beides tödlich. Doch sie bekam sie unter Kontrolle,
indem sie die linke Tragfläche in den Wind neigte und Gegenruder gab. Die
Citabria gewann Höhe und verschwand in der Dunkelheit.
    Vor Wut und verzögert
einsetzendem Schock zitternd, drehte ich mich um und rannte zum Haus, um zu
telefonieren.

Sonntag
     
    Sonny West sah bleich und
verstrubbelt aus, als ich vor dem kleinen sandfarbenen Terminalgebäude von
Little River hielt. Ich stieg aus dem Pick-up, und während ich rasch auf ihn
zuging, gähnte er heftig. »McCone, warum müssen Sie mich in aller
Herrgottsfrühe raustrommeln, nachdem ich mit den Kumpels im Buckhorn versackt
bin?«
    »Das ist ein Notfall. Ich muß
den Platzfunk benutzen. Die Zwo-acht-neun ist entführt worden.«
    Er hielt inne, die Schlüssel
zum Terminalgebäude in der Hand.
    »Was sagen Sie da? Von wem?«
    »Keine Zeit jetzt für
Erklärungen.« Ich wartete ungeduldig, während er bemerkte, daß er den falschen
Schlüssel erwischt hatte und den richtigen herausfischte.
    »Haben Sie das Sheriff’s
Department alarmiert?«
    »Sie kommen hierher.«
    »Und die Flugbehörde?«
    »Noch nicht. Vielleicht könnten
Sie das übernehmen?«
    Er bekam die Tür auf und
knipste das Neonlicht an. Ich zwängte mich an ihm vorbei in den unordentlichen
Warteraum und eilte zu dem hohen Tresen, wo sich die Funkanlage befand. Obwohl
der Flugplatz um diese Zeit nicht besetzt war, war die Anlage immer in Betrieb,
damit in der Nähe befindliche Flugzeuge untereinander kommunizieren konnten.
Ich drehte den Lautstärkeregler auf. Sonny fragte: »Was haben Sie vor — dem
Entführer einheizen?«
    »Es ist eine Frau. Sie ist
immer noch in Funkreichweite. Eine frischgebackene Pilotin, die noch nie eine Spornradmaschine
geflogen hat. Ich will versuchen, sie hier runterzulotsen, bevor sie die
Maschine zu Schrott fliegt oder unschuldige Menschen verletzt oder umbringt.«
Ich hatte das Bordfunkgerät beim Anflug auf die Frequenz von Little River
eingestellt. Wenn D’Silva es eingeschaltet hatte — und warum sollte sie das
nicht getan haben? — , würde ich sie erreichen können.
    »Du grüne Neune«, brummte
Sonny. »Da stellen wir wohl besser Feuerwehr und Krankenwagen bereit.« Er eilte
zum Telefon auf der anderen Seite des Warteraums.
    Ich schaltete das Mikrophon
ein. »Citabria sieben-sieben-zwo-acht-neun, hier McCone in Little River.
Erbitte Ihre Position.« Nichts.
    »Zwo-acht-neun, bitte kommen.«
    Immer noch nichts.
    Sonny hängte ein, signalisierte
mir mit emporgestrecktem Daumen, daß er alles geregelt hatte.
    »Zwo-acht-neun, bitte kommen.«
    »Was kann ich noch tun?« fragte
Sonny.
    »Geben Sie mir eine
Sektionskarte.«
    Er nahm eine aus dem Ständer am
anderen Ende des Tresens und reichte sie mir. Ich schlug sie auf, um
nachzusehen, auf welche anderen Frequenzen sie hätte umschalten können. Auf das
Rascheln hin begann sich ein mottenzerfressenes Deckenknäuel in einer Ecke des
ramponierten Kunstledersofas zu bewegen. Eine schwarze Nase schob sich hervor, gefolgt
von der langen Schnauze und den schläfrigen Augen eines kleinen schwarzweißen
Terriers: Gilda, die Platzhündin, leicht verwirrt ob unseres frühzeitigen
Erscheinens. Daran gewöhnt, daß vorbeikommende Piloten ihre Sandwichs mit ihr
teilten, hatte sie das Rascheln der Karte für das Knistern von Einwickelpapier
gehalten. Sie taxierte die Situation, bedachte mich mit einem vorwurfsvollen
Blick und verschwand wieder unter ihrer Decke.
    Die Platzfrequenz von Little
River war 122,7, genau wie die von Los Alegres und Petaluma. Ocean Ridge, ein
Stück küstenabwärts, in der Nähe von Gualala, hatte 122,6. Wenn sie sich weiter
landeinwärts gehalten hatte, um den heftigen Winden auszuweichen, kamen
Willits, Ukiah und Boonville in Frage.
    Aber hatte sie nach diesem beinahe
katastrophalen Start klar genug denken können, um sich einen Plan
zurechtzulegen und auf eine andere Frequenz zu schalten? Ich konnte es mir
nicht vorstellen; die Maschine in der Luft zu halten war wohl schon Anforderung
genug.
    »Citabria

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