Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
gesperrt.«
    Verdammt! Wie hatte sie das
angestellt? Oh, klar — das Merkblatt, das ich bei Ausstellung der Karte
gekriegt hatte, mit den Instruktionen für den Verlust- oder Diebstahlsfall. Das
lag zu Hause im Sekretär.
    »Haben Sie noch eine andere
Karte?« fragte Bennie.
    »Nein, ich... habe meine
Brieftasche verloren und warte noch auf die neuen Karten. Ich stelle Ihnen
einen Scheck aus.«
    »Hey, nicht nötig. Bringen Sie
einfach die neue Karte vorbei, wenn Sie sie haben, dann regeln wir das. Und tun
Sie mir einen Gefallen, ja? Behalten Sie den MG.«
     
    Nell Loomis sah noch genauso
aus, wie ich sie vom letzten Mal in Erinnerung hatte: ultrakurzes karottenrotes
Haar, grellgrüner Lidschatten, zerschlissene Jeans und T-Shirt unter einer
Gummi-Dunkelkammerschürze. Zumindest war das mein Eindruck, bis ich bemerkte,
daß sie sich die Nase mehrfach hatte piercen lassen und daß auf ihrem Unterarm
ein Geiertattoo prangte.
    Sie bekam mit, wie ich den
Geier musterte, und sagte: »Ich mag Geier. Das sind sehr geduldige Vögel.
Wollen Sie reinkommen, McCone, oder einfach nur da stehenbleiben und glotzen?«
    An ihrer Art hatte sich nichts
geändert, aber das hatte ich auch gar nicht erwartet.
    Sie führte mich in ihr
chaotisches Studio: ein großer weißer Raum mit einem langen Lichttisch und
einer Sitzecke. Die Wände säumten Lichtkästen sowie Requisiten und
zusammengerollte Hintergrundkulissen für die Werbeaufnahmen, die sie hier
machte. Diese Woche ging es offenbar um Katzenfutter, genauer gesagt, um eine
Marke namens Royal Repast.
    »Verflixte Mistviecher«, sagte
Loomis und zeigte auf die Dosenstapel, während wir auf ihrem abgewetzten Sofa
Platz nahmen. »Katzen?«
    »Nicht alle — hab selber drei
Stück daheim — nur diese verhätschelten Royal-Repast-Miezen, alle vier. Die
verzogensten Kreaturen, die mir je begegnet sind — Menschen eingeschlossen. Sie
stehen nicht auf Royal Repast. Sie sind Junkies.«
    »Junkies?«
    »Baldrianjunkies. Man muß das
Zeug aufs Futter sprenkeln, ehe sie auch nur dran knabbern. Und dann sind sie
so zugedröhnt, daß sie sofort einschlafen. Diese Aufnahmeserie dauert eine
Ewigkeit. Also, was zum Henker wollen Sie, nach so langer Zeit? Eine
Information, schätze ich mal.«
    »Stimmt.«
    »Gegen bar?«
    »Klar doch.«
    »Wieviel?«
    »Zwanzig.«
    »Sechzig.«
    »Vierzig.«
    »Abgemacht. Was wollen Sie
wissen?«
    »Diese olivgrüngraue Tür, drei
Häuser weiter rechts — wer ist da der Mieter?«
    Ihr Gesicht erstarrte. »Wo
stecken Sie da Ihre Nase rein, McCone?«
    »Warum?«
    »Warum?«
    »Ich verstehe nicht, was Sie
meinen.«
    »So eine schlaue Frau wie Sie?
Ich lese doch Zeitung. Glauben Sie nicht, ich bin nicht auf dem laufenden, was
Sie betrifft.«
    »Dann wissen Sie ja auch, daß
ich über meine Fälle oder Klienten nichts sagen darf. Also, wer ist der Mieter,
Loomis?«
    »...der Typ heißt Sandy
Coughlin, und er handelt mit allem möglichen Zeug.«
    »Zum Beispiel?«
    »Tödlichem Zeug. Sprengstoff,
Waffen — Sie verstehen schon.«
    »Drogen?«
    »Nein, Sandy ist nur für die
direkten Methoden zuständig.«
    »Was müßte jemand anstellen, um
mit ihm in Kontakt zu kommen?«
    »Ach, McCone! Sie wissen doch,
wie man so was macht.«
    »Nein, ich meine, wie würde es
ein normaler Mensch anstellen?«
    »Na ja, er würde bestimmt nicht
hingehen und anklopfen. Coughlin ist ziemlich paranoid, und seine... Kundschaft
kommt auf Empfehlung.«
    »Wessen?«
    Sie musterte einen Moment ihre
ausgefransten Fingernägel. »Das sind natürlich alles nur Gerüchte, aber man
sagt, er beliefert militante Splittergruppen.«
    »Linke oder rechte?«
    »Egal. Er ist das, was mein Dad
einen Scharfmacher genannt hätte. Er steht auf alles, was fanatisch und
hinterhältig ist. Dieser Brandbombenanschlag auf die Abtreibungsklinik letzten
Monat? Es heißt, die Brandsätze stammten von Sandy. Und vielleicht auch ein
paar von den Knarren, mit denen diese russische Flüchtlingsfamilie in der
Richmond umgebracht wurde. Und so weiter.«
    »Er macht Profit und schürt
nebenbei Haß und Zwietracht?«
    »So ist es. Der olle Sandy hat
Spaß dran, hinter den Kulissen die Fäden zu ziehen und dann zuzugucken, wie
unschuldige Menschen verletzt oder getötet werden.«
    O Ted, was ist mit dir los?
Was?
     
     
     

Samstag
abend
     
    Sechs Adressen von Frauen, die
sich bei Vintage Lofts eingekauft hatten und deshalb wohl jederzeit in das
Gebäude gelangen konnten. Drei der Frauen waren nicht zu Hause. Als ich,

Weitere Kostenlose Bücher