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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Tätigkeit? Eine bestimmte
Lebensgeschichte? Eine bestimmte Reihe zwischenmenschlicher Beziehungen?
    Identität ist dein inneres
Selbst, deine ganz besondere Art und Weise, zu denken, zu handeln, zu
reagieren. Wenn eine Fremde auf all das einen so präzisen Zugriff hat, daß sie
dich zu manipulieren vermag, dann bist du im Begriff, deinen innersten Kern zu
verlieren. Deine Seele.
    Ja, genau das tut sie. Sie
versucht mir meine Seele zu stehlen.
     
     
     

Samstag
     
    Der Traum vom Wohnen im eigenen
Loft —
    nformation heute 10-16 Uhr
     
    Das Transparent hing schlaff an
der Fassade des alten Lagerhauses, das genauso schmuddelig-grau wirkte wie der
Himmel. Ich ging durch das Eingangsportal, wandte mich nach links und betrat ein
improvisiertes Verkaufsbüro, wo drei Männer in Busineßanzügen redend und
kaffeetrinkend herumstanden. Einer von ihnen deponierte seinen Becher auf einem
Klapptisch voller Prospektstapel und trat auf mich zu.
    »Willkommen in den Vintage
Lofts«, sagte er und streckte mir eine Geschäftskarte hin. »Sie sind mit dem
Konzept der Wohn- und Arbeitsraumeinheit vertraut?«
    »Ja, bin ich.« Und meine
Meinung dazu würde ihn gar nicht beglücken. In meinen Augen war diese ganze
Loftmasche immer schon ein einziger gigantischer Immobilienschwindel. Man zahlt
eine Summe von zweihunderttausend Dollar aufwärts für relativ wenig Raum,
versehen mit nichts als den nötigsten Sanitäranschlüssen — deren Lage obendrein
nur begrenzte Raumaufteilungsvarianten zuläßt — und baut dann den Rest selbst
aus oder bezahlt jemanden dafür, daß er’s tut. Und die Baugesellschaft, die das
Gebäude höchstwahrscheinlich billig erworben hat, sackt einen Riesenprofit ein.
    Der Verkäufer schob mir eine
Preisliste hin. »Wie Sie sehen, haben wir schon etliche Einheiten verkauft,
aber es sind immer noch auf allen Etagen welche erhältlich.«
    Ich überflog das Blatt. Die
Einheiten im dritten Stock kosteten fast dreihunderttausend Dollar. »Diese
Lofts ganz oben«, sagte ich, »sind die mit Aussicht?«
    »Nun ja, nicht im Sinn von
Bayblick, falls Sie das meinen. Aber die Fenster sind groß, und die
rückwärtigen Einheiten haben Oberlichter.«
    Die würden sie auch brauchen,
auf der Rückseite gab es gar keine Fenster. »Und wie viele davon sind noch
frei?«
    »Oh, äh, die meisten, um genau
zu sein.«
    Was hieß, daß die Leute, die
sie besichtigt hatten, doch nicht so blöd waren, wie die Baugesellschaft
gehofft hatte. »Ich würde mich gern mal dort oben umsehen.«
    »Gewiß doch. Heute steht Ihnen
das ganze Gebäude offen. Nehmen Sie einfach den Lift, und lassen Sie sich Zeit.
Und vergessen Sie nicht unseren Dachgarten!«
    Bestimmt nicht.
    Im dritten Stock war es, trotz
aller Fenster und Oberlichter, düster. Neben dem Aufzug lagerten
Baumaterialien, aber sie waren mit einer dicken Staubschicht überzogen, und die
gesamte Örtlichkeit wirkte irgendwie verlassen. Nach etlichen Renovierungs- und
Ausbaumaßnahmen in meinem eigenen Haus hatte ich ein ziemlich gutes Gefühl
dafür, wie sich auf Baustellen eins zum anderen fügt, aber hier konnte ich mir
nicht vorstellen, was am Ende dabei herauskommen würde. Es interessierte mich
auch nicht; ich war hier, um nach irgendeiner greifbaren Spur der Frau zu
suchen, die dieses nächtliche Katz- und Maus-Spiel mit mir veranstaltet hatte.
    Ich nahm meine Taschenlampe heraus
und begann, systematisch alles abzusuchen. Schon der kleinste Hinweis — ein
abgerissener Knopf, ein weggeworfenes Papiertaschentuch — würde mir das
beruhigende Gefühl geben, daß diese Frau doch nicht so clever war, wie ich
dachte, aber ich fand nichts. Dann stieg ich zum Dach hinauf, trat von der
Gitterplattform hinunter und sah mich hinter dem Lifthäuschen um. Ich fand zwei
Zigarettenkippen, bezweifelte aber, daß sie von ihr stammten; ich hatte keinen
Tabakgeruch bemerkt, weder hier noch nach dem Einbruch bei mir zu Hause.
    Als ich wieder hinunterging,
fing mich der Verkäufer mit hoffnungsfroher Miene ab. »Wie finden Sie das
Gebäude?«
    »Sehr interessant.«
    »Ich habe eine Liste von
Handwerksfirmen, die wir für die Fertigstellungsarbeiten empfehlen — es sei
denn, natürlich, Sie möchten es selbst machen.«
    Firmen, die ihnen zweifellos
Provision zahlten. »Wissen Sie, ich würde gern eine Aufstellung der Leute
sehen, die bereits Einheiten erworben haben. Wäre das möglich?«
    »Tut mir leid, aber das ist
vertraulich.«
    Quatsch. Es waren öffentlich
zugängliche Informationen.

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