Wenn alle anderen schlafen
und Charlotte stöhnten, und
Mick murmelte: »Irgend so ein blöder Schwulenhasser!«
»Ja. Ich beschloß, es zu
ignorieren. Ich habe den Zettel weggeworfen und Neal nichts davon gesagt. Der
Buchladen läuft nicht so gut. Das Finanzamt hat ihn auf dem Kieker, und ich
wollte nicht, daß er sich auch noch wegen irgendeinem homophoben Blödmann
Sorgen machen muß. Aber es kamen immer weitere Zettel — einer fieser als der
andere. Schließlich habe ich Neals Briefkastenschlüssel stiebitzt, damit er sie
nicht findet.«
»Wenn ihr dieses Faktenpapier
lest, werdet ihr feststellen, daß uns der Absender offensichtlich beobachtet
hat, daß er Neal gefolgt ist und auf die Gelegenheit gewartet hat, ihm etwas
anzutun. Also habe ich meinerseits angefangen, unser Haus zu beobachten und
Neal zu beschatten. Schließlich arbeite ich in einem Ermittlungsbüro. Auch wenn
ich nur der Büroleiter bin, sollte ich es doch schaffen rauszukriegen, wer
dieser Mensch ist — richtig?« Er schüttelte den Kopf. »Falsch. Alles, was ich
geschafft habe, war, eine Menge Benzin und Zeit zu vergeuden und mich selbst in
einen Zustand zu bringen, den ihr ausbaden mußtet. Und Neal auch.« Sein Mund
verzog sich zu einem bitteren Grinsen. »Der arme Kerl — zum Geburtstag, vor
drei Wochen, habe ich ihm eine Serie Karatestunden geschenkt, weil ich dachte,
da lernt er wenigstens Selbstverteidigung. Die ersten beiden Stunden hat er nur
gelitten.«
Ich sah in die Runde: Die
anderen fanden an all dem gar nichts komisch. Rae machte sich verbissen Notizen
auf der Rückseite des Faktenpapiers. Charlotte und Mick machten immer
grimmigere Gesichter.
»Na ja,« fuhr Ted fort, »nach
eineinhalb Wochen solcher Zettelbotschaften kam dann ein Anruf. Zum Glück war
ich dran, und der Kerl hielt mich für Neal. Er sagte: ›Geh ja nicht zur Polizei
oder zu dieser Schnüfflerin, für die dein Arschfickerfreund arbeitet, sonst
gibt’s einen Toten.‹ Klingt ziemlich melodramatisch, ich weiß, aber irgendwas
in seinem Ton hat mir gesagt, daß er’s ernst meinte.«
Mick fragte: »Kam dir seine
Stimme irgendwie bekannt vor?«
»Nein, sie war so gedämpft,
offensichtlich verstellt.«
»Aber eindeutig männlich?«
»Ja.«
»Jemand, den ihr kennt,
vielleicht?«
»Möglich.«
Rae sah von ihren Notizen auf.
»Wieso hast du Neal an dem Punkt nicht einfach gesagt, was los ist?«
»Weil ich mich inzwischen schon
zu tief reingeritten hatte. Ich hatte ihm Dinge verheimlicht, ihn angelogen;
ich hatte Angst, es würde unsere Beziehung kaputtmachen, wenn er dahinterkäme.
Ich habe dran gedacht, zur Polizei zu gehen, aber Anzeigen von Schwulen werden
von denen doch meistens verschleppt. Ein paarmal war ich kurz davor, es Shar zu
sagen, aber ich konnte mich einfach nicht überwinden.«
Rae nickte. »Kamen noch mehr
Anrufe?«
»Fast jeden Abend, wenn Neal
vom Buchladen zurück war. Ich habe mir angewöhnt, mich immer beim Telefon
rumzudrücken und mich sofort draufzustürzen, wenn es klingelte. Wenn ich wegmußte
und er allein zu Hause war, habe ich das Ding einfach rausgezogen. Aber es
wurde immer schlimmer: Jemand versuchte Neal vor dem Buchladen zu überfahren;
in unserer Wohnung tauchte ein widerwärtiges Valentinstagsgeschenk auf. Also
habe ich einen Typen angerufen, den ich vor einiger Zeit mal getroffen hatte,
und ihm eine unregistrierte Pistole abgekauft. Und unsere Glastür zerschossen,
als ich am Sonntag abend auf jemanden gefeuert habe, der plötzlich auf unserem
Balkon auftauchte. Neal ist wegen der Pistole ausgerastet und hat Shar
angerufen. Ich habe die Panik gekriegt, weil ich dachte, der Kerl dort draußen
könnte sie kommen sehen und seine Todesdrohung realisieren. Und dann kam raus,
daß Neal Shar schon fast zwei Wochen zuvor gebeten hatte, meinem komischen
Verhalten auf den Grund zu gehen.« Er lachte bitter. »Sie hat mich beschattet,
während ich Neal beschattet habe, der wiederum von —«
»Hey, Ted,« sagte ich, »ist ja
gut.«
Er schüttelte den Kopf und rieb
sich das Gesicht. »Jetzt, wo ich drüber rede, erscheint mir das alles so
surreal.«
Rae lenkte das Gespräch rasch
auf die sachliche Ebene zurück. »Und wie ist der momentane Stand?«
Als Ted nicht antwortete, sagte
ich: »Nicht so gut, fürchte ich. Am Samstag abend hat Ted uns beide, Neal und
mich, mehr oder weniger rausgeworfen. Wie sich später dann rausstellte, dachte
er, wenn wir zusammen sind, wird keinem von uns was passieren. Aber am Sonntag
morgen ist Neal verschwunden, um
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