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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Idyllische. Bin in
Marysville geboren und aufgewachsen und wäre wohl nie von dort fortgegangen,
wenn mein Mann nicht hier unten einen Job gekriegt hätte. Jetzt sind wir
geschieden und teilen uns das Sorgerecht für unseren kleinen Sohn; er braucht
den Vater in der Nähe, sonst wäre ich längst wieder zu Hause. Diese Seite des
Großstadtlebens — die, mit der’s Lee hat — , das kann ich einfach nicht
verstehen. Und Lee, also, ich mag sie ja, sie hat so viele Begabungen, aber
dieses andere Leben, das sie da noch führt... ich meine — wozu?«
    »Aber Sie sind trotzdem mit ihr
befreundet?«
    »Ich versuch’s. Sie hat keine
Freundinnen außer mir. Aber manchmal werd ich so wütend auf sie, weil sie ihre
Zeit mit was vergeudet, was so sinnlos ist — und womöglich auch gefährlich.«
    Ich wollte ihr sagen, daß Lee
D’Silva es nicht wert war, Emotionen auf sie zu vergeuden, aber ich konnte es
nicht. Wider alle besseren Instinkte empfand auch ich so etwas wie Mitgefühl
mit Lee. Vielleicht das alte Syndrom: die Identifikation des Gefangenen mit
dem, der ihn gefangenhält. D’Silva hatte mich so lange gefangengehalten, daß
ich zu verstehen begann, was sie trieb.
    Na ja, das war nicht nur
schlecht. Die genaue Kenntnis der Beute macht den erfolgreichen Jäger.

Donnerstag
abend
     
    Die Bürgersteige der Eleventh
Street zwischen Folsom und Harrison im South-of-Market-Distrikt glänzten feucht
und spiegelten die Neonreklamen des lebhaftesten Nachtclub-Viertels der City.
Eine Regenpause hatte die Leute hervorgelockt, die jetzt vor dem Slim’s, der Paradise Lounge, der Twenty Tank Brewery und der DNA
Lounge Schlange standen. Live-Rockmusik wummerte aus der Tür des Eleven
Restaurant & Bar, das brechend voll war. Um Viertel vor elf hatte
der Abend seinen Höhepunkt noch nicht erreicht.
    Ich arbeitete mich durch die
Klumpen schick gekleideter Menschen, immer Russ Auerbach im Blick, den
Clubbesitzer, mit dem Lee D’Silva »irgendwas am Laufen« hatte. Ich beschattete
ihn schon zwei Stunden, seit seiner Visite im Napoli, seinem Jazzclub in
North Beach. Jetzt überquerte er gerade die Folsom, auf dem Weg zum End of the
Line, einem ähnlichen Etablissement.
    Nach dem Besuch bei Misty Tyree
hatte ich meinen alten Freund Wolf angerufen, der eine Zwei-Personen-Detektei
betrieb. Ich hatte gehofft, ihn für die Observierung der oberen Wohnung in der
Mariposa Street kooptieren zu können. Ich glaubte nicht wirklich, daß D’Silva
dorthin zurückkehren würde, wollte das Haus aber trotzdem beobachtet wissen.
Doch Wolf mußte gerade in einer anderen Sache für einige Zeit weg.
    »Gibt’s jemanden, den du mir
empfehlen kannst?« fragte ich. »Gibt es. Du kennst Tamara Corbin?«
    »Ja.« Wolfs Assistentin war
eine gescheite, junge Afroamerikanerin, deren Computerkünste fast an die von
Mick heranreichten. Sie hatte Wolf, den erklärten Technikfeind, am
Schlafittchen ins einundzwanzigste Jahrhundert geschleift.
    »Tja, Ms. Corbin hat befunden,
daß das Detektivbusineß doch nicht so ehrenrührig ist, wie sie anfangs dachte,
und daß es vielleicht sogar ein mögliches Betätigungsfeld für sie sein könnte.
›Eine intelligente Möglichkeit, an die dicke Kohle zu kommen‹, das war ihre
Formulierung. Natürlich denkt sie da mehr an den High-Tech-Aspekt, aber ich
erkläre ihr immer, daß ein bißchen Low-Tech-Alltagsarbeit nun mal zu einer
umfassenden Ausbildung gehört.«
    Seinem neckischen Ton entnahm
ich, daß Tamara anwesend war und seine Worte hörte. »Unbedingt«, sagte ich.
    »Und außerdem würdest du mir
einen Gefallen tun. Dieser Job wird mich etwa eine Woche von hier fernhalten,
und wenn sie die ganze Zeit allein im Büro hockt, fällt ihr bloß wieder was
ein, was es mir dann unmöglich macht, irgendwas ohne ihre Hilfe zu finden. Es
ist jetzt schon schwer zu sagen, wer hier der Boß ist und wer die Hilfskraft.«
    »Dann betrachte sie als
engagiert.«
    Wolf gab mir Tamara, und nach
einigen neckischen Retourkutschen ihrerseits erörterten wir die Details der
Observierung und einigten uns auf ein Honorar. Dann ging ich zu Mick hinüber.
Er wartete noch auf Keim, der Rae einen weiteren Undercover-Job in einer Firma
übertragen hatte.
    »Was weißt du über die
Nachtclubszene hier in der City?« fragte ich ihn.
    »Alles.« Er grinste
selbstgefällig.
    Ich sah ihn streng an. »Wie
kommt’s, daß du dich da so gut auskennst?« Mick war erst neunzehn — zwei Jahre
unter dem Alter, ab dem man hier in Kalifornien Alkohol

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