Wenn alle anderen schlafen
eine Ahnung, wo sie
sonst sein könnte? Bei einem Freund vielleicht?«
Ihr gerader Blick zuckte ein
wenig. »Na ja, ist nicht gerade ungewöhnlich...«
»Was?«
»Ich... Das Problem ist... Ich
weiß nicht, ob ich Ihnen das sagen soll, wo Sie doch ihre Chefin sind und
alles.«
»Etwas, was ihr Privatleben
betrifft?«
»Hm.«
»Keine Angst. In meiner Detektei
respektieren wir die Privatsphäre der einzelnen. Ich würde mich nie durch
irgend etwas, was Sie mir erzählen, in meiner Haltung zu ihr als Angestellter
beeinflussen lassen.«
Sie nickte, aber ihre Finger
kneteten den Kittelsaum auf ihren Knien. Ganz wohl war ihr offenbar immer noch
nicht.
»Mir geht es darum«, setzte ich
hinzu, »daß sie möglicherweise in Gefahr ist.«
»Na ja, in dem Fall, okay. Lee
zieht ziemlich rum. Sie ist viel in Clubs und in der Kunstszene — Galerien,
Ausstellungen und so was. Überall, wo die Chance besteht, daß sie —«
»Daß sie Männer kennenlernt.«
»Ja. Und die lernt sie auch
kennen, dutzendweise. Bleibt nachts oft weg. Ich hab sie mal gefragt, ob sie
gar keine Angst hat, vor all diesen Sachen — Aids, perversen Typen, na ja, Sie
wissen schon. Sie hat nur gelacht und gesagt, sie kann schon auf sich
aufpassen.« Tyree konnte mich jetzt gar nicht mehr anschauen; ich sah, wie sehr
es sie belastete, so intime Dinge über eine Freundin weiterzuerzählen. Ich
beeilte mich, sie zu beruhigen. »Fee ist sicher nicht gerade vernünftig, aber
es ist an ihr, das zu merken und ihr Verhalten zu ändern.«
Jetzt sah Tyree endlich wieder
auf. »Sie erzählen ihr nicht, was ich gesagt habe?«
»Das steht mir nicht zu. Diese
Clubs, wo sie hingeht — gibt’s da irgendwelche speziellen?«
»Ach, die üblichen, in SoMa und
North Beach. Sogar an der Mission — und da ist nur die Brücken- und
Tunnelszene.«
Was vermutlich hieß, daß
D’Silva Männer aus den Außenbezirken aufgelesen hatte. »Sharon McCones«
einschlägiger Ruf hatte sich womöglich schon durch die ganze Bay Area
verbreitet!
Tyree guckte jetzt wieder weg.
Ich folgte ihrer Blickrichtung und sah, daß sie in die Flammen starrte, die das
künstliche Holzscheit umzüngelten.
»Ms. Tyree — was?«
»Noch was... Schlimmeres.«
»Als...?«
»Als das, was ich Ihnen eben
erzählt habe.« Sie holte tief Luft. »Lee hat öfters von einem Lokal namens Club
Turk geredet. Und von einem Mann, Russ Auerbach.«
»Wer ist das?«
»Der Besitzer. Er hat ingesamt
vier Clubs, mit dem Club Turk. Die anderen drei sind total hip und chic,
aber dieser eine... mit dem stimmt irgendwas nicht.«
»Was?«
Sie schüttelte den Kopf,
fixierte noch immer das Gasfeuer. »Ich weiß nicht genau. Aber in meinem Job
hört man so allerlei. Die Kundinnen reden, mit mir oder unter sich. Es ist, als
ob man gar nicht da ist oder nicht zählt und sie deshalb kein Blatt vor den
Mund zu nehmen brauchen. Vor ein paar Wochen habe ich mitgehört, wie zwei
Kundinnen aus besseren Kreisen über den Club Turk geredet haben. Die
eine hat gesagt, sie möchte dort nicht gern in eine Polizeirazzia geraten. Die
andere hat gelacht und erklärt, die Polizei würde sich nicht mal in die Nähe
des Clubs trauen, denn wenn sie da zuschlagen würde, säße die halbe Machtelite
von San Francisco und ganz Kalifornien mächtig in der Tinte. Als sie gemerkt
haben, daß ich mithöre, haben sie aufgehört.«
»Wo liegt dieser Club?«
»Am Rand von Nob Hill, da, wo
Tenderloin anfängt.«
Eine rauhe Gegend. »Sind Sie
schon mal dort gewesen?«
»Ich? Nie im Leben! Die
Clubszene ist nichts für mich.«
»Und was hat Lee von diesem
Club erzählt?«
»Daß sie viel dort ist und daß
sie irgendwas mit Auerbach am Laufen hat.«
»Ein Liebesverhältnis?«
»Möglich, aber ich glaube, da
ist noch was anderes. Wenn sie davon redet, wird sie ganz aufgedreht — wie
sie’s wegen einem Mann nie wird. Das einzige Mal, daß ich sie sonst so erlebt
habe, war wegen dem Job bei Ihnen.«
»Haben Sie sie mal gefragt, was
dort im Club Turk läuft?«
»Na-ah. Sie hat gesagt, das
würde ich früh genug mitkriegen.« Interessant. Ich würde mich in der Clubszene
umtun müssen; bis auf die nächtliche Tour am Valentinstag — als Ricky uns in
zwei exklusive Prominententreffs und einen Privatclub geführt hatte — war ich
diesem rasch fluktuierenden Milieu schon einige Jahre ferngeblieben. Misty
Tyree sah mich an und wartete sichtlich auf irgendeine Reaktion. Als keine kam,
sagte sie: »Wissen Sie, Ms. McCone, ich bin eher fürs
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