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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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heim ins Warme. Ich fragte mich, wie
so oft bei Observierungsaktionen, warum ich mir eine so einsame Tätigkeit
ausgesucht hatte. Fragte mich, warum ich mich ausgerechnet auf einen Mann
eingelassen hatte, dessen Lebensweise lange und häufige Trennungen implizierte.
    Die Antworten lagen natürlich
auf der Hand: Hy und ich, wir waren beide für unsere Jobs geschaffen, und wir
waren füreinander geschaffen.
    Das Handy piepte: ein Freund
von Hy, der im Büro der Luftfahrtbehörde auf dem Flughafen von Oakland
arbeitete. Er rief mich zurück, nachdem ich ihn vorhin gebeten hatte, für mich
herauszufinden, ob D’Silva ihren Pilotenschein gemacht hatte.
    »Sie hat ihn. Die schriftlichen
Prüfungen vor zwei Monaten mit gutem Ergebnis bestanden. Prüfungsflug am
fünfzehnten.«
    Der Tag nach dem Abend, an dem
sie in der Bar des Palomino wütend zu mir herübergestarrt hatte — und einer der
wenigen Schönwettertage in den letzten Monaten.
    Auf der anderen Straßenseite
bog jetzt ein alter VW-Käfer in D’Silvas Einfahrt, und eine Frau stieg aus und
rannte durch den Regen zum Eingang der Erdgeschoßwohnung. Sie hatte Mühe,
Handtasche und Schirm zu halten und gleichzeitig ihre Schlüssel herauszuholen,
schloß dann aber auf und verschwand im Haus. Im Erkerfenster ging Licht an.
    »Sharon?«
    »Bin noch dran. Sorry. Können
Sie mir ihre Pilotenscheinnummer und den Namen des Prüfers sagen?«
    Er gab mir die Nummer durch und
sagte, wegen des Prüfers werde er noch mal anrufen. Nachdem ich das Gespräch
beendet hatte, stieg ich aus dem MG und rannte über die Straße.
    Die Frau, die mir die Tür der
unteren Wohnung öffnete, trug einen rosa Kittel mit kleinmädchenhaftem weißem
Kragen und weißen Manschetten, und ihre Füße steckten in flauschigen blauen
Häschenpantoffeln. Ihr Gesicht war schon mehr als unscheinbar, und sie hatte
ein leichtes Pferdegebiß, aber ihr Haar war leuchtend blond und zu einer
raffinierten Zopffrisur geflochten. Sie starrte mich an, sagte: »Oh, Sie sind
aber früh dran«, und schaute, sichtlich verlegen, auf die Häschenschuhe.
    »Ich bin nicht die, die Sie
erwarten.« Ich reichte ihr eine meiner Karten.
    »Ach, herrje, ich dachte schon,
Sie seien mein Sechs-Uhr-Termin. Ich bemühe mich immer, für die Kundinnen
professionell auszusehen, und diese blöden Häschendinger sind da nicht gerade
passend.«
    »Sehen aber gemütlich aus. Was
für Kundinnen?«
    »Ich bin Friseurin; arbeite bei
Finesse im Zentrum, aber ich nehme auch Privatkundinnen an.« Sie beäugte jetzt
mein regennasses Haar, dachte vermutlich, daß ich ihre Dienste auch brauchen
könnte.
    »Sie sind Misty Tyree?«
    »Ja. Und Sie...« Sie sah wieder
auf meine Karte. »Sie sind Lees Chefin.«
    Ein Wassertropfen platschte vom
Vordach auf meine Stirn und kullerte mir die Nase hinunter. Als ich ihn
wegwischte, sagte Misty Tyree: »Ach, du liebe Güte, entschuldigen Sie! Kommen
Sie doch bitte rein.«
    Ich trat in die Diele. Sie nahm
mir den nassen Mantel ab und hängte ihn an einen Haken neben der Tür. »Setzen
wir uns doch ins Wohnzimmer«, sagte sie. »Da ist der Kamin an.«
    Ich folgte ihr in einen
gemütlichen Raum, dessen Mobiliar wie bessere Secondhandware aussah, und setzte
mich auf ihr Drängen in den Sessel, der dem kleinen Gaskamin am nächsten stand.
Tyree ging zum Fenster und sperrte das dichter werdende Dunkel aus, indem sie
die Vorhänge zuzog.
    »Ich muß ja sagen«, sagte sie,
»Lee ist richtig happy, daß sie jetzt bei Ihnen arbeitet. So gut drauf hab ich
sie noch nie erlebt.«
    »Das ist nicht immer so?«
    »Den Job bei der
Sicherheitsfirma fand sie gräßlich, hat ihn regelrecht gehaßt. Nicht, daß sie
nicht trotzdem hundertzehn Prozent gegeben hätte. Lee gibt immer hundertzehn
Prozent. Aber das wissen Sie ja sicher selbst.«
    »...Ah, ja. Sagen Sie, wann
haben Sie sie zuletzt gesehen?«
    Tyree, die sich gerade in den
Sessel mir gegenüber setzen wollte, hielt auf halber Strecke inne. »Warum...
ist schon ein paar Tage her. Stimmt was nicht?«
    »Sie ist bei einem
Außeneinsatz, und wir haben den Kontakt zu ihr verloren.«
    Ihr Gesicht spiegelte so
ehrliche Besorgnis, daß es mir leid tat, sie belügen zu müssen. »Herrje, lassen
sie mich mal überlegen. Ich schätze, das war Dienstag morgen, als ich sie
zuletzt oben gehört habe. Und jetzt haben wir Donnerstag abend. Vor drei Tagen
also. Aber ich war nicht viel zu Hause, sie könnte zwischendurch hier gewesen
sein, ohne daß ich’s mitgekriegt habe.«
    »Haben Sie

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