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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Verkehr erlaubt.«
     
    Der Verkehr erlaubte gar
nichts. Der Broadway war zwischen Tunnel und Columbus total verstopft. Ich
arbeitete mich zentimeterweise bis zu einem Motel vor, wo es, was kaum jemand
wußte, öffentliche Parkmöglichkeiten gab. Ich bog rasch in die
Tiefgarageneinfahrt und warf dem Wächter die Schlüssel und die unverschämte Gebühr
hin. Auf Zickzackwegen gelangte ich zu dem Stück der Kearny, wo das Napoli lag.
    Eine lange Schlange hip
gekleideter Menschen zog sich den Gehweg entlang. In Jeans und Fliegerjacke
marschierte ich daran vorbei und zeigte dem Türsteher meinen Ausweis. Er winkte
mich durch. »Mr. Auerbach erwartet Sie an der Bar.«
    Hinter mir sagte ein Mann:
»Hey, für wen hält die sich?«
    Der Türsteher erwiderte: »Das
ist der Bürgermeister — er geht heut nacht im Fummel und weiß geschminkt.«
    Hinter mir Gelächter, während
die Tür sich schloß. Seine Willikeit, wie ein hiesiger Cartoonist ihn getauft
hatte, war immer für ein paar Lacher gut.
    Das Napoli war ganz
anders als der Club Turk : ironisch-italienisch-kitschig, mit Gipsbüsten
und staubigen Weinflaschen in Mauernischen; jede Menge roter Plüsch und
verschnörkelte Goldrahmen um Spiegel und dunkle Ölgemälde von Männern, die alle
wie Lorenzo de Medici aussahen. Die Jazzcombo hätte Opernarien singen müssen.
    Ich wandte mich nach links zum
Barbereich und sichtete Auerbach durch den schummrig-rauchigen Dunst; neben ihm
saß ein Mann mit einem blonden Pferdeschwanz und einem roten Seidenhemd. Als
ich herankam, standen sie auf, und Auerbach stellte mir seinen Gefährten als
»Jim« vor.
    »Nur Jim«, sagte der Mann.
»Kein Nachname, ich bin verheiratet.«
    Ich nickte und schüttelte ihm
die Hand.
    Auerbach entschuldigte sich,
und ich erklomm den Hocker, den er geräumt hatte. »Was trinken?« fragte Jim.
    Ich wollte eigentlich nichts,
aber er hatte offenbar schon mehrere Drinks intus, und seine ganze Art sagte
mir, daß er nicht gern allein weitertrinken würde. »Chardonnay, bitte«, sagte
ich und schwieg, während er bestellte und der Barkeeper einschenkte.
    Jim prostete mir zu. »Cheers.«
    Ich stieß mit ihm an. »Okay,
Sie kennen also Lee D’Silva.«
    »Ja. So ein Luder. Wir waren
verabredet, ich habe mir extra Ausreden für zu Hause einfallen lassen, und sie
ist nicht erschienen.«
    »Wie oft haben Sie sie
getroffen?«
    »Nur das eine Mal. Heiße
Nummer.«
    »Sie hat Sie zu sich
mitgenommen?«
    »Ja — gräßliches Loch. Die Frau
muß ihr ganzes Geld für Klamotten ausgeben.«
    »Russ sagt, Sie wissen nicht
mehr, wo das Apartment war?«
    Jim beugte sich näher an mich
heran, atmete mir eine Mischung aus Scotch und Knoblauch ins Gesicht. »Lee hat
gesagt, daß ich ihm das sagen soll. Russ sollte nichts von der Wohnung wissen.«
    »Warum?«
    Er zuckte die Achseln.
    »Würden Sie mich hinbringen?«
    »Klar.«
    »Gut. Wir nehmen meinen Wagen.«
    »Nein, ich will fahren —«
    »Sie müssen navigieren.«
    Er zögerte, sah auf das fast volle
Glas in seiner Hand. »Okay, ich nehme das hier mit.«
    Ich stand auf, legte einen
Schein auf die Bar. »In welchen Stadtteil fahren wir?«
    »Mission. Komisch, was? Der
alte Russ weiß nichts davon, aber seine Gelegenheitsmieze wohnt genau gegenüber
von einem seiner Clubs.«
    Und plötzlich wußte ich, in
welchem Haus. Herrgott, schon wieder!
     
    »Ja, das ist es«, sagte Jim.
    Das Haus, in dessen Eingang ich
mich gestern abend untergestellt hatte. Das Haus, in dem ich in meiner
Anfangszeit hier in San Francisco gewohnt hatte.
    »Welches Apartment?« fragte
ich.
    »Nummer weiß ich nicht. Erster
Stock, hinten links.«
    Mein altes Studio.
    »Lausige kleine Bude«, setzte
er hinzu. »Der Kühlschrank sieht aus wie ein alter Eiskasten, läuft mit einem
Kompressor. Ich dachte immer, die Dinger sind mit dem Edsel ausgestorben. Oder
vielleicht mit dem T-Modell.«
    Plötzlich fühlte ich einen
grimmigen Beschützerdrang dem Apartment gegenüber, das, wenn auch nicht
luxuriös, doch mein Heim gewesen war und in dem sich jetzt offenbar D’Silva
eingenistet hatte. Ein Beschützerdrang, der noch dadurch verstärkt wurde, daß
mir dieser Mann ausgesprochen unsympathisch war. »Hören Sie, Jim«, sagte ich.
»Möchten Sie nicht rüber ins Bohemia gehen und ein paar auf meine
Rechnung trinken?«
    »Hab mich schon gefragt, wann
Sie drauf kommen.«
    »Hey, amüsieren Sie sich. Die
Nacht ist noch jung. Und wenn Sie nach Hause wollen, nehmen Sie ein Taxi.« Ich
drückte ihm zwei Zwanziger

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