Wenn alle anderen schlafen
hatte es wohl dennoch nicht
riskieren können, sich beim Police Department, beim County Sheriff oder bei
einer der besseren Detekteien zu bewerben, weil die bei ihren rigorosen
Background-Checks womöglich die Wahrheit über ihren Weggang aus Paradise
herausgefunden hätten. Ich kannte die Firma, bei der sie angefangen hatte: Sie
stellte alles ein, was zwei Beine hatte und einigermaßen nüchtern war. In der
Zeit dort hatte sich D’Silva zweifellos in der Branche umgetan und Kontakte
geknüpft, die ihr dann geholfen hatten, sich nach und nach zu verbessern.
Aber dann war sie auf mich
gestoßen.
Am Anfang hatte sie mich
wahrscheinlich einfach bewundert: Ich war ein berufliches Vorbild. Sie war
vermutlich ein bißchen romantisch, was das Detektivdasein anging; die
Taschenbücher in dem Karton mit ihren Bürohinterlassenschaften hatten alle von
Detektivinnen als Heldinnen gehandelt. Aber was hatte ihre extreme Fixierung
ausgelöst? Nicht unsere Begegnung bei dem Bewerbungsgespräch; sie hatte schon
Anfang Juli mit den Flugstunden begonnen, sechs Monate, bevor ich das Inserat
aufgegeben hatte.
Juli. Was hatte ich da gemacht?
Die Ermittlungen in der
Ricky-Sache, natürlich. Die Geschichte war in den Klatschspalten und
Boulevardblättern breitgetreten worden, und ihr Ausgang hatte bundesweit ein
spektakuläres Presse- und TV-Echo gefunden.
Aber nein, das konnte es nicht
sein. Ricky war am 21. Juli mit seinem Problem zu mir gekommen — ich würde wohl
weder dieses Datum noch das, was dann kam, je vergessen. Und D’Silva hatte
schon Anfang Juli die ersten Flugstunden genommen.
Juni also. Da hatten wir die
Detektei von All Souls ins Piergebäude verlegt, uns eingerichtet und
gleichzeitig Klienten bedient. Das war eine verrückte Zeit gewesen, mit all den
Telefonlegern, Elektrikern und Malern, und obendrein hatte ich auch noch diese
Rede... Das war’s: das Dinner-Meeting der hiesigen Ortsgruppe der
Bundesvereinigung der Privatermittler. Ich schlug die zweite Seite der
Bewerbung auf: D’Silva hatte die Vereinigung unter »Mitgliedschaften«
aufgeführt.
Was hatte ich in dieser Rede
gesagt? Ich hatte hauptsächlich über die Freuden und Tücken der Gründung einer
eigenen Detektei gesprochen. Es war eher ein informelles Geplauder gewesen, mit
einem langen Frage-Antwort-Teil, da ich weder Zeit noch Lust gehabt hatte, eine
richtige Rede vorzubereiten. Und während dieses Gesprächs hatte ein
Exarbeitgeber von mir, Bob Stern, beschlossen, für Belebung zu sorgen, indem er
mich nach der Fliegerei fragte; er hatte mir Anekdote um Anekdote entlockt.
D’Silva mußte dort gewesen
sein. Vielleicht hatte ich sogar kurz mit ihr gesprochen.
Die Zufälligkeit dieses
Zusammentreffens machte mich trotz der Wärme des Feuers frösteln. Wenn nun
D’Silva an dem Abend krank gewesen wäre oder Dienst gehabt hätte? Wenn ich
krank gewesen wäre oder die Einladung, dort zu sprechen, gar nicht erst
angenommen hätte? Hätte sie sich dann irgendwann auf jemand anderen fixiert —
oder auf niemanden? Oder war, angesichts unserer jeweiligen
Persönlichkeitsstruktur, diese ganze Verwicklung vorgezeichnet gewesen?
Das war eine Frage, auf die ich
keine Antwort hatte und mit der ich mich auch gar nicht gern beschäftigen
wollte. Also richtete ich meine Gedanken wieder auf die Frage, wo sich D’Silva
jetzt aufhalten mochte.
Tamara Corbin hatte sich nicht
gemeldet, demnach war D’Silva nicht in die Wohnung in der Mariposa Street
zurückgekehrt. Aber sie hatte ja noch dieses Studio, wo sie mit dem Mann gewesen
war, den sie in einem von Russ Auerbachs Clubs kennengelernt hatte. Auerbach
hatte gesagt, er würde mich benachrichtigen, falls der Mann wieder auftauchte,
aber würde er das wirklich tun? Mir blieb wohl nichts als abzuwarten.
Ich hasse Warten. Außerdem
zerrten das leere Haus und das schweigende Telefon allmählich an meinen Nerven.
Lieber rausgehen und irgendwas tun.
Ich sah auf die Uhr: kurz nach
neun. Wenn Auerbach jeden Abend demselben Zeitplan folgte, mußte er jetzt im Napoli in North Beach sein. Ich erfragte die Nummer bei der Auskunft, rief an und
fragte nach dem Besitzer.
»Hey«, sagte Auerbach, »große
Geister denken dasselbe. Ich wollte Sie gerade anrufen. Der Mann, den Sie wegen
Lee sprechen wollten, ist eben reingekommen. Für einen Drink erzählt er Ihnen
bestimmt alles, was Sie wissen wollen. Er ist offenbar sauer auf sie, weil sie
zu ihrem zweiten Date nicht erschienen ist.«
»Ich komme so schnell, wie’s
der
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