Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn auch nur fuer einen Tag

Wenn auch nur fuer einen Tag

Titel: Wenn auch nur fuer einen Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Moser
Vom Netzwerk:
ich die Augen schließe, erinnert mich das Plätschern der großen Fontäne in der Mitte an das der vielen Brunnen in Rom.
    Neben mir auf einer anderen Bank sitzt eine junge Frau mit einem Zeichenblock auf dem Schoß. Immer wieder blickt sie auf, bevor ihre Hand mit dem Bleistift wieder übers Papier schnellt. Ich versuche nachzuvollziehen, welchen Ausschnitt sie wohl gerade einfängt. Vor mir, am anderen Ufer, ragen zwischen den hellen Häuserfassaden die Türme des Rathauses und mehrerer Kirchen in den blauen Himmel. Wirklich eine geniale Kulisse, denke ich. Überhaupt habe ich es mit Hamburg eigentlich gut getroffen. Jetzt, wo das Wetter schöner wird, zeigt sich die Stadt mit dem vielen Wasser, dem Hafen und den gigantischen Schiffen von einer ganz anderen Seite. Oder habe ich jetzt nur deshalb einen positiveren Eindruck, weil Jana mir ein Gefühl von Heimat gibt? Ich habe kürzlich einen Spruch gelesen, der in einem Café an die Wand gepinselt war: Zu Hause ist dort, wo dein Herz sich wohlfühlt . Eigentlich hasse ich solche kitschigen Pseudoweisheiten, aber diese hier könnte sogar auf mich zutreffen. Ich fühle mich wohl, wenn Jana bei mir ist. Irgendwie angekommen. Dieses Gefühl ist komplett neu für mich. Bisher war ich immer rastlos, auf der Suche nach etwas, ohne zu wissen, was es eigentlich war.
    Mein Blick schweift erneut zu der Frau, die alles um sich herum vergessen zu haben scheint und sich ganz auf ihre Zeichnung konzentriert. Plötzlich ertappe ich mich dabei, wie auch ich die kitzelnde Lust verspüre, wieder einmal einen Bleistift und Zeichenpapier in die Hand zu nehmen und ein Gebäude oder einen Park zu entwerfen. Dabei musste ich mich früher jedes Mal dazu zwingen, wenn wir fürs Studium eine Bauzeichnung abzugeben hatten. Ich hatte zwar meistens jedes Detail im Kopf, aber mich dann wirklich vor den Computer oder an den Zeichentisch zu setzen, um die Idee festzuhalten, langweilte mich.
    Nachdem ich noch eine Zeit lang vor mich hin gedöst habe, stehe ich wieder auf, um mich langsam in Richtung Starbucks aufzumachen. Ich merke, wie sich ein seltsames, kribbelndes Gefühl in mir bemerkbar macht. Eines, das mir zeigt, wie sehr ich mich darauf freue, Jana gleich wiederzusehen.
    Wie sie heute wohl ihr Haar trägt? Und auf welche Art wird sie mich begrüßen? Lächelt sie, wenn sie mich sieht, umarmt sie mich oder sagt sie bloß etwas Banales wie »Hallo«, weil sie unsicher ist, wie sie sich am Tag danach verhalten soll? Und was ist mit mir? Wie werde ich mich wohl in den ersten Minuten anstellen?
    Als ich schon ein Stück gelaufen bin, höre ich Kinderstimmen hinter mir und automatisch drehe ich mich nach ihnen um. Wahrscheinlich nur deshalb, weil ich einige italienische Worte aufgeschnappt habe. Drei Jungs, vielleicht sieben oder acht, spielen am Ufer der Binnenalster. Sie bauen Dämme aus Stöcken und Steinen und sind hoch konzentriert bei der Sache. Einer der Jungs hält ein grünes Segelschiff aus Plastik in der Hand – ich schätze mal, ein ziemlich schlechtes Modell der Rickmer Rickmers . Er hat dunkle, fast schwarze Haare und trägt ein AC-Mailand-Trikot, während die anderen beiden hellblond sind. Der Dunkelhaarige redet wild gestikulierend auf Italienisch auf die anderen beiden ein und gibt ihnen Kommandos, was sie zu tun haben. Ich muss grinsen, als die blonden Jungs ihn zunächst nur mit großen Kulleraugen anstarren und anscheinend kein einziges Wort verstehen. Aber irgendwie schaffen es die drei doch, sich zu verständigen, denn plötzlich lachen sie alle gleichzeitig los und knien sich dann nebeneinander auf den Boden, um das Boot ins Wasser zu lassen. Seltsam, aber irgendwie versetzt mich diese Szene in eine melancholische Stimmung.
    Während ich weiterschlendere, denke ich an Fabio und mich, als wir Kinder waren und an den Wochenenden oft mit unserem deutschen Kindermädchen zum Strand nach Ostia gefahren sind, wo wir Eis bekamen und den ganzen Tag im Sand herumbuddelten. Wir brauchten nichts außer einem Plastikeimer und unseren Händen. Ich hatte tausend Ideen für Burgen, Brücken und Landschaften, aber nie die Geduld, sie auch fertig zu bauen. Fabio hingegen konnte sich stundenlang an Details aufhängen und klopfte mit einer Engelsgeduld den Sand fest, strich die Oberflächen mit Wasser glatt und war erst dann zufrieden, wenn unsere Bauwerke aus jeder einzelnen Perspektive perfekt aussahen.
    Der Gedanke an Fabio und unser gestriges Telefonat versetzt mir sofort wieder einen

Weitere Kostenlose Bücher