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Wenn auch nur fuer einen Tag

Wenn auch nur fuer einen Tag

Titel: Wenn auch nur fuer einen Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Moser
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und dann sogar noch ein drittes Mal. So ganz kann ich immer noch nicht fassen, dass mir dieses Mädchen tatsächlich eine Chance geben will. Sie möchte Lukas Richter kennenlernen, sich auf ihn einlassen. Irgendetwas an ihm muss ihr gefallen. Ein warmes Gefühl breitet sich in mir aus.
    Ich schalte den Laptop ein und stelle fest, dass Janas CD mit den italienischen Schnulzen noch darin steckt. Ich lasse sie laufen und fülle zufrieden Espressopulver in meine Cafetiere, während ich den gestrigen Abend in Gedanken noch einmal Revue passieren lasse. Aber plötzlich, als ich Jana wieder so wunderschön und strahlend vor mir stehen sehe, ihre tiefblauen, vertrauensvollen Augen auf mich gerichtet, fröstle ich und ich merke, dass sich unter die anfängliche Erleichterung und das Glücksgefühl, das Janas Brief in mir ausgelöst hat, ein kleiner Anflug von Unwohlsein mischt.
    Irritiert lasse ich mich auf einen Stuhl fallen und starre vor mich hin. Einige Minuten später zischt der Espresso durch die Cafetiere und verbreitet seinen belebenden Duft. Ich schätze, ich weiß genau, was mich bedrückt. Und das Schlimme ist, ich werde kaum jemals etwas an diesem blöden Gefühl in mir ändern, sondern mich bestenfalls daran gewöhnen und irgendwann damit abfinden können. Denn meine Vergangenheit wird mir immer im Weg stehen, auch wenn ich mich noch so sehr bemühe, jemand anderer zu werden.
    Ich stelle mir vor, wie schön es wäre, tatsächlich ganz von vorne anfangen zu können. Ich meine, so wie Leute, die nach einem Unfall ihr Gedächtnis verloren haben. Ich habe mal eine Sendung darüber gesehen. Die vorgestellten Personen wussten rein gar nichts mehr von ihrem früheren Leben, alles Bisherige war für sie wie ausgelöscht. Ich habe das damals als grauenvoll empfunden, aber jetzt wünschte ich, mir wäre dasselbe passiert, nachdem ich angeschossen wurde und im Koma lag. Dann hätte ich ein reines Gewissen und könnte mich selbst mögen. Bestimmt würde es mir dann auch leichter fallen, anzunehmen, dass ein Mädchen wie Jana mich gernhaben kann. Aber mit den Erinnerungen an meine Vergangenheit habe ich irgendwie das Gefühl, sie eigentlich davon abhalten zu müssen, sich noch mehr in mich zu verlieben. Weil ich tief in mir drinnen weiß, dass ich es nicht verdient habe, dass sie mir so viel Vertrauen entgegenbringt. Allmählich wird mir klar, dass Lukas Richter immer zu einem gewissen Teil Matteo Orsini bleiben wird, ob es ihm nun gefällt oder nicht. Die beiden sind aneinandergeschweißt wie siamesische Zwillinge, die sich – selbst wenn sie sich bis auf den Tod hassten – niemals eine Chance haben werden, ein eigenständiges Leben zu führen.
    »Pappamolla!« Ich beschimpfe mich selbst als elendes Weichei und stehe auf, um mir Espresso einzugießen.
    So verzwickt die Situation auch ist, ich habe keine Wahl und muss versuchen, das Beste daraus zu machen. Alternativ kann ich mir nur selbst eine Kugel verpassen, in der Hoffnung, dieses Mal nicht mehr aufzuwachen.

Jana
    »Ach Mensch, jetzt habe ich noch eine Gabel übrig, dafür fehlt ein Messer«, ruft Tom verzweifelt und rauft sich theatralisch die Haare. Er ist bei Rossi für die Hochzeitsveranstaltungen zuständig und schon jahrelang im Geschäft. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber so wie er auf Hochzeiten abfährt und mit welcher Hingabe er sich den Tischdekos widmet, muss er fast schwul sein. Wie auch immer, eigentlich ist Tom total nett, aber heute liegen seine Nerven blank. Er hält mir eine einzelne Silbergabel vor die Nase, als wolle er mich damit aufspießen. »Jetzt sag bitte nicht, du hast dich schon wieder vertan, Jana.«
    Ich gehe konzentriert die Reihen ab. Schon zum vierten Mal an diesem Vormittag. »Oh, sorry. Bei Renate Krautmann habe ich aus Versehen zwei Messer gedeckt.«
    Tom schüttelt den Kopf und tauscht die Gabel gegen das Messer. »Wenn das arme Brautpaar wüsste, wie lapidar du mit ihrem Jubeltag umgehst. Hier soll immerhin in einer Stunde geheiratet werden. Wenn du weiterhin so viel Mist baust, dann –«
    In diesem Moment piepst mein Handy. Endlich! Ich lasse die weiße Stoffserviette fallen, die ich gerade zu einem Fächer falten wollte, schnappe mir meine Handtasche und wühle mit Herzklopfen nach meinem Telefon.
    »Aha, alles klar«, meint Tom und wirft mir einen vielsagenden Blick zu. »Wusste ich es doch. So durcheinander, wie du heute bist …«
    »Was?« Irritiert blicke ich zu ihm hinüber.
    Tom grinst mich vielsagend an. »Du bist

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