Wenn auch nur fuer einen Tag
habe ich kläglich versagt. Ich schätze, es lag daran, dass ich mich bei ihr zu sehr bemüht habe und es mir ein Ding der Unmöglichkeit war, mit ein paar Strichen das hervorzuheben, was Jana eigentlich ausmacht.
Jana lacht. »Also ich finde, ich sehe darauf äußerst vorteilhaft aus. Diese schaurig-schönen tiefen Augenhöhlen, das spitze Kinn und die dünnen … wie sagtest du doch vor ein paar Wochen noch? Ach ja, Spaghettihaare … Einfach zum Verlieben.«
Ihre Wangen sind leicht gerötet vom Lachen und vom Prosecco. Sie sieht wunderschön aus. Dio , ich verliebe mich jeden Tag mehr in sie. So etwas ist mir noch nie passiert. Wenn ich Gefühle für eine Frau hatte, dann kamen sie meist von jetzt auf gleich, und genauso schnell waren sie dann auch wieder verschwunden. Das, was ich für Jana empfinde, ist etwas, das ich nicht steuern, nicht bremsen oder aufhalten kann. Im Gegenteil: Es hat mich im Griff. Und es wird stärker und stärker, ohne dass ich darauf Einfluss habe. Obwohl wir noch immer nicht miteinander geschlafen haben. Ich frage mich, wie lange das noch so weitergehen wird und welche Ausmaße so ein Gefühl annehmen kann, bis es mit einem lauten Knall zerplatzt und eine riesige Sauerei hinterlässt. Ich weiß, ich sollte mich einfach nur darüber freuen, was zwischen Jana und mir passiert, und nicht ständig darüber nachgrübeln, was alles schiefgehen könnte. Aber irgendwie traue ich dem Frieden nicht ganz. So viel Glück fordert mit Sicherheit irgendwann seinen Preis.
Si paga per tutto! Alberti hat mir verdammt deutlich vor Augen geführt, dass nichts im Leben umsonst ist. Und meistens kommt die Rechnung, wenn man eben nicht damit rechnet. Dann aber gesalzen.
»Macht vielleicht mal jemand Musik an?«, meint Carla. »Ich finde, es ist viel zu ruhig hier.«
Jana springt auf. »Ich hatte dir doch von dieser coolen irischen Band erzählt, weißt du noch? Julia hat mir endlich eine CD gebrannt, ich hol sie schnell, dann können wir mal reinhören.« Sie rennt in ihr Zimmer.
»Spielst du eigentlich Fußball?«, will Alex plötzlich von mir wissen.
»Klar, in der Verteidigung, schon seit ich fünf bin!« Ich kann ihm leider schlecht reindrücken, dass in Italien Fußball mehr eine Art Religion ist als eine gewöhnliche Sportart. Und auch nicht, dass mein Vater einer der Hauptsponsoren von AS Roma ist und ich so gut wie jedes Spiel von der VIP-Lounge aus verfolgt und manchmal sogar mit den Jungs der Mannschaft trainiert habe.
»Cool«, freut sich Alex. »Gute Verteidiger fehlen uns noch. Wenn du Lust hast, dann komm doch mal zum Training der Uni-Mannschaft. Wir treffen uns jeden Montag und Mittwoch.«
»Klar, sehr gern!« Insgeheim verfluche ich mich dafür, dass ich in der letzten Zeit so wenig Sport gemacht habe. Bestimmt bin ich total schnell aus der Puste. Ich nehme mir vor, ab morgen wieder regelmäßig joggen zu gehen, damit ich mich nicht komplett blamiere. Aber der Gedanke, wieder in einer Mannschaft zu spielen, gefällt mir. Langsam scheint mein neues Leben wirklich Formen anzunehmen.
»Menno, was treibt sie denn so lange?«, fragt Carla ungeduldig. »Jana?«
»Ich sehe mal nach, wo sie bleibt«, sage ich und schlendere in Janas Zimmer. Sie kniet am Boden und wühlt in einem Berg CDs. »Sie muss doch hier irgendwo sein«, murmelt sie.
Ich lächle beim Anblick ihres knackigen Pos und lasse dann meinen Blick durch ihr Zimmer schweifen, das hell und freundlich eingerichtet ist, hauptsächlich in warmen Gelb- und Orangetönen. Es passt hundertprozentig zu Jana. Plötzlich sehe ich einen zusammengefalteten Stadtplan von Rom auf ihrem Schreibtisch liegen. Ich greife danach und mein Herz zieht sich augenblicklich zusammen, als ich das darauf abgebildete Colosseum und ein Stück des Forum Romanum betrachte. Ich hatte es immer als selbstverständlich angesehen, in dieser Stadt geboren worden zu sein und dort leben zu dürfen. Und jetzt weiß ich nicht, ob ich jemals wieder dorthin zurückkomme. Ich falte den Plan auseinander, genau in dem Moment, als sich Jana mit der CD in ihrer Hand erhebt. »Da ist sie ja«, murmelt sie.
»Wow, was hast du denn alles hier eingezeichnet?«, frage ich erstaunt, als mir die vielen, in unterschiedlichen Farben markierten Straßenzüge auffallen.
Jana tritt neben mich. »Äm, das … sind all die Orte, von denen mir Flo am Telefon erzählt hat. Ich habe sie markiert, damit ich mir besser vorstellen kann, wo er gerade ist. Ich weiß, das klingt irgendwie …
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