Wenn aus Verlangen Schicksal wird
nicht so, dass du dich für einen Mann aufsparst, der dir mehr bedeutet als Sarantos. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass dir irgendwann irgendjemand wichtiger sein könnte als er. Wach doch mal auf, Selene: Du hast dein Zölibat für ihn gebrochen, und du hast ein Kind von ihm! Wen solltest du heiraten, wenn nicht ihn?“
„Aber er ist der Erzfeind meiner Familie“, rief Selene ihr in Erinnerung. „Und mein Feind. Du weißt genau, wie sehr er Louvardis Enterprise in den letzten eineinhalb Jahren geschadet hat.“
Kopfschüttelnd warf Kassandra ein: „Aber dabei geht es doch nur ums Geschäftliche.“
„Und auf privater Ebene bin ich ihm vollkommen egal.“ Selene versuchte, so sachlich wie möglich zu klingen. „Und Alex auch. Er hat mir aus vollkommen rationalen Gründen angeboten, mich zu heiraten. Keine Spur von Menschlichkeit, von echten Gefühlen. Weißt du, was das größte Problem war, das mein Vater mit Sarantos hatte? Dass er seine Familie so schlecht behandelt hat. Er hat sechs jüngere Geschwister. Aber anstatt sich wirklich um sie kümmern und Kontakt zu ihnen zu halten, schickt er ihnen einfach nur in regelmäßigen Abständen Schecks. Sogar nach dem Tod seines Bruders ist er so schnell wie möglich wieder abgereist. Nicht eine einzige Nacht hat er bei seiner Familie verbracht, um gemeinsam zu trauern. Findest du wirklich, dass ich so einen Menschen in die Nähe meines Sohns lassen sollte? Es ist besser für ihn, seinen Vater nicht zu kennen, als einen Vater zu haben, der ihn im Stich lässt!“
Kassandra begann, nachdenklich auf ihrer Unterlippe herumzuknabbern. „Ich wusste nicht, dass er so ein Scheusal ist. Aber andererseits hat er ohne irgendeine wirkliche Ausbildung ein Imperium aus dem Nichts erschaffen. Er hat mit zwölf die Schule verlassen, mit vierzehn hatte er sein erstes Fischerboot, und heute ist er Milliardär. Kein Wunder, dass er viel zu tun hat! Für solche Menschen gelten die normalen Regeln einfach nicht. Aber vielleicht hat er aus genau diesem Grund Dinge zu bieten, die dir sonst niemand geben kann.“
Kassandras Bemühungen, das Positive hervorzuheben, verdüsterten Selenes Stimmung nur. „Wenn man seinen Geschwistern glaubt, hat Sarantos in menschlicher Hinsicht absolut nichts zu bieten. Und dann ist da auch noch die Katastrophe, die er über meine ganze Familie heraufbeschworen hat. Er behauptet zwar, dass er alles tun würde, um das Schlimmste abzuwenden. Aber wahrscheinlich wird er einen einzigen Blick auf meine neuen Bedingungen werfen und mich zum Teufel schicken. Nicht zu vergessen, dass meine Brüder ausrasten werden, wenn sie erfahren, dass Alex sein Sohn ist. Glaub mir, es spricht wirklich alles dagegen, dass ich Sarantos heirate. Und wenn ich mich nicht irre, wird er bald merken, dass es für ihn nur von Vorteil ist, dass ich abgelehnt habe. Dann kann er sich wie gewohnt in seine Arbeit stürzen und weiterhin seine Affären haben, ohne schlechtes Gewissen. Falls er überhaupt so etwas wie ein Gewissen hat.“
Nun lagen Mitgefühl und tiefes Bedauern in Kassandras Blick. Sie schien begriffen zu haben, dass Selene ihre Meinung nicht mehr ändern würde. „Aber denk wenigstens noch mal drüber nach“, sagte sie schließlich, doch es war offensichtlich, dass sie nicht mehr daran glaubte.
Selene umarmte ihre Freundin, dankbar dafür, dass sie sich so viele Gedanken gemacht hatte. Auch wenn ihre Überredungsversuche anstrengend gewesen waren, hatte sie es ja nur gut gemeint und versucht, das zu verhindern, was sie für einen großen Fehler hielt.
Doch Selene wusste, dass sie nur einen einzigen großen Fehler machen konnte: einen emotional verkümmerten und herzlosen Mann wie Aristedes in ihr Leben zu lassen. Auch wenn sie ihn mehr begehrte als irgendjemanden sonst. Auch wenn er der Vater ihres Sohnes war.
Ihre Nacht war grauenvoll gewesen. Immer wieder war sie aus schrecklichen Albträumen erwacht, in denen ein monströses Geschöpf versucht hatte, sie mit langen Tentakeln in einen tiefen Abgrund zu reißen.
Aber am schlimmsten war, dass ein Teil von ihr die ganze Zeit über das Bedürfnis gehabt hatte, einfach nachzugeben und sich fallen zu lassen.
Obwohl ihr das Babyfon verriet, dass Alex noch tief und fest schlief, eilte sie ins Kinderzimmer hinüber. Jeden Morgen freute sie sich wie verrückt darauf, ihren kleinen Sonnenschein zu sehen, doch heute steckte mehr dahinter: Sie hatte das Gefühl, Alex’ Anblick zu brauchen, um wieder in die
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