Wenn aus Verlangen Schicksal wird
hielt Aris sie mit seinem dunklen Blick gefangen. Einen Moment lang dachte sie, dass er gleich in ein teuflisches Lachen ausbrechen würde wie der Bösewicht in einem alten Schwarz-Weiß-Film.
Doch er stand einfach nur da und sah sie reglos an. „Du hattest recht damit, mich abblitzen zu lassen“, sagte er schließlich. „Und auch damit, dass ich keine Ahnung hatte, was ich eigentlich getan habe.“
Es waren nicht seine Worte, die sie plötzlich so unendlich wütend machten. Es war sein Gesichtsausdruck, diese provokative Mischung aus Ernsthaftigkeit und Selbstironie.
Endlich fand sie ihre Stimme wieder. „Danke für diese Information. Aber du hättest wirklich nicht kommen brauchen, um mir das mitzuteilen. Ich dachte, ich hätte dir gestern deutlich gemacht, dass die Sache für mich gegessen ist.“
Sie gab der Tür, an der sie sich die ganze Zeit über festgeklammert hatte, einen Stoß. Doch Aristedes verhinderte mit einem leichten Druck seiner Hand, dass sie ins Schloss fiel.
„Aber das kann ich nicht akzeptieren“, sagte er mit rauer Stimme.
Was hatte er denn nun schon wieder vor? Wollte er ein neues Spiel spielen? Ehe Selene ihrer ganzen Frustration und Wut Luft machen konnte, fuhr er fort: „Wenn ich mir etwas vorgenommen habe, gebe ich erst auf, wenn ich ganz sicher weiß, dass es nicht funktionieren kann. Mir ist klar geworden, dass ich dir zwei vollkommen unrealistische Vorschläge gemacht habe. Jetzt will ich dir etwas anderes anbieten. Nennen wir es … ein Experiment.“
Da ihre Beine nachzugeben drohten, lehnte sie sich vorsichtig gegen den Türrahmen. „Alex und ich sind kein Geschäftsprojekt, das man testen kann, Sarantos.“
Seine Miene verdüsterte sich. Wieder warf er ihr einen dieser Blicke zu, die bis in ihre Seele vorzudringen schienen. „Eigentlich hat mir das genaue Gegenteil vorgeschwebt: Ich will, dass ihr mich testet.“
Selenes Verunsicherung wuchs zunehmend. Kopfschüttelnd erwiderte sie: „Aber warum die Mühe? Wir wissen beide, dass du nicht … geeignet bist.“
„Auch damit hast du recht. Keiner von uns hat gute Gründe, daran zu glauben, dass ich ein guter Vater oder Ehemann werde. Und vielleicht ist es wirklich das Beste für dich und Alex, wenn ihr mich nie wieder seht. Aber vielleicht auch nicht. Ich will, dass wir sichergehen, dass wir am Ende das Richtige tun. Du denkst, dass ich nicht in der Lage bin, irgendeine Art von Beziehung zu führen. Ich war bisher selbst dieser Meinung. Aber ich hatte auch noch nie einen Grund, es auszuprobieren. Jetzt habe ich einen. Genau genommen sogar zwei. Bitte gib mir die Chance, herauszufinden, ob es bei euch nicht vielleicht doch einen Platz für mich geben kann.“
Überrascht öffnete sie den Mund, schloss ihn dann wieder, weil ihr die Worte fehlten, und sagte schließlich: „Aber was willst du überhaupt von uns?“
Seine fein geschwungenen Lippen zuckten amüsiert. „Das versteht sich ja wohl von selbst.“
„Nein, nicht für mich. Falls du es vergessen hast, pflegst du keine Beziehungen zu anderen Menschen.“
„Ich vergesse nie etwas. Aber hier geht es nicht darum, wie ich mich in der Vergangenheit verhalten habe, sondern um das Hier und Jetzt. Wir sind in einer Situation, die für uns beide völlig neu ist. Und ich glaube, dass wir es uns und Alex schulden, wenigstens zu versuchen, herauszufinden, was für Möglichkeiten wir haben.“
„Und wie genau stellst du dir das vor?“ Sie sprach so leise, dass sie sich selbst kaum hörte.
In sanftem Tonfall erwiderte Aristedes schlicht: „Gib mir einen Tag. Heute.“
Verblüfft blickte sie zu ihm auf.
Nachdem sie beide einige Sekunden lang schweigend da gestanden hatten, seufzte Aristedes tief. „Wenn wir herausfinden wollen, ob das mit uns funktioniert, muss ich an eurem Alltag teilhaben. Und wenn wir es heute schaffen, miteinander klarzukommen, ohne dass größere Probleme auftauchen, können wir sehen, wie wir weitermachen.“
Unwillkürlich wich Selene zwei Schritte zurück. „Ich … ich halte das für keine gute Idee. Und bitte frag jetzt nicht, warum.“
Er folgte ihr mit einem großen Schritt über die Türschwelle. Zum ersten Mal betrat er ihre Wohnung. Aristedes schien mit seiner beeindruckenden Präsenz, seiner Aura der Vollkommenheit den ganzen Vorraum auszufüllen. Selene konnte es einfach nicht fassen, dass er wirklich hier war. In ihrem Heiligtum, dem Rückzugsort, den sie für sich und Alex geschaffen hatte.
Wie oft hatte sie sich genau
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