Wenn aus Verlangen Schicksal wird
Realität zu finden.
Als sie schon vor dem Kinderzimmer stand, läutete es an der Tür. Natürlich, es war schon acht, die Zeit, um die Eleni normalerweise kam.
Aber dann fiel ihr auf, dass ja Samstag war. Eleni kam samstags nie, weil Selene an ihren wenigen freien Tagen sowieso rund um die Uhr mit Alex zusammen war.
Misstrauisch öffnete Selene die Tür. Und hielt, wie vom Blitz getroffen, inne.
Auf der Schwelle stand Aristedes. Zum ersten Mal in ihrem ganzen Leben sah sie ihn ohne Anzug. Er trug hellblaue Jeans und ein weißes Hemd, und dennoch sah man ihm auf Anhieb an, wer er war. Was er war. Ein Mann mit Macht und Einfluss. Ein Raubtier.
Hingerissen sah sie zu ihm auf.
Nichts hatte sich geändert. Nichts würde sich je ändern. Ihre Entscheidung stand fest.
Und doch wollte sie nichts mehr, als ihn zu sich in die Wohnung zu ziehen, sich ihm anzubieten, ihn anzuflehen, sich alles zu nehmen, was er wollte.
Ganz plötzlich brachen all die Gefühle, die sie so streng im Zaum gehalten hatte, über sie herein. Die Einsamkeit und Trauer, die sie während ihrer Schwangerschaft und Alex’ ersten Lebensmonaten durchgestanden hatte. Die schmerzhafte Einsicht, dass sie für den Rest ihres Lebens zwar eine Mutter, eine erfolgreiche Anwältin, eine Schwester, eine Freundin sein würde, aber nie wieder eine Frau . Jedenfalls nicht so, wie sie in den Tagen mit Aristedes eine Frau gewesen war. In seinem Bett.
Als sie ihm tief in die Augen blickte, wusste sie, dass kein Weg daran vorbeiführte. Sie musste sich auf ihn einlassen, ohne Netz und doppelten Boden, ohne irgendeine Sicherheit. Denn nur so konnte sie ihrer unendlichen Einsamkeit entkommen. Nur ein einziges Mal noch wollte sie diese unbeschreibliche Nähe spüren, dieses Gefühl völliger … Lebendigkeit empfinden, das nur er in ihr hervorrufen konnte.
Leise sagte sie: „Wenn du gekommen bist, um herauszufinden, ob ich meine Meinung geändert habe, dann …“
Doch er schnitt ihr das Wort ab. „Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass ich meine Meinung geändert habe. Bitte vergiss alles, was ich dir bis jetzt angeboten habe.“
5. KAPITEL
Während Selene zu Aristedes aufblickte, begriff sie endlich. Sie verstand, warum man ihn überall nur als „den Teufel“ bezeichnete.
Er war hinterlistig. Ein unerträglicher, herzensbrecherischer Quälgeist, der einem direkt in die Seele sehen konnte. Wenn er jemanden kontrollieren oder erobern wollte, dann kam er immer wieder zu ihm, hartnäckig, unermüdlich. Mal probierte er es mit rationaler Überzeugungskraft, dann wieder mit seiner ganzen überwältigenden Verführungskunst. Und wenn er seine Opfer erst einmal am Haken hatte, nahm er ihnen alles, was ihnen wichtig war. Einfach jeder gab sich früher oder später geschlagen, weil niemand ausdauernder war oder einen stärkeren Willen besaß als er.
In diesem Moment begriff sie, was ihren Vater so wahnsinnig gemacht hatte, dass er einen Herzinfarkt erlitten hatte. Bis jetzt war ihr immer ein Rätsel gewesen, was Hektor so provoziert hatte. Denn der Vertrag, über den er zuletzt mit seinem Rivalen gesprochen hatte, war nicht anders gewesen als alle davor. Doch nun verstand sie, dass der ewige Kampf mit Aristedes langsam, Stück für Stück, die Energie ihres Vaters aufgebraucht hatte. Bis er schließlich einfach nicht mehr konnte.
Mit ihr machte Aristedes es ja nicht anders! Er hatte sie verhext, sie süchtig nach der Ekstase gemacht, in die nur er sie versetzen konnte, und dann hatte er sie verstoßen. Und jetzt stand er wieder vor ihrer Tür, um sein teuflisches Spiel von vorn anzufangen.
In den letzten beiden Tagen hatte er all das, was seit eineinhalb Jahren in ihr geschlummert hatte, wiedererweckt und einfach gefühllos zugesehen, wie sie verzweifelt dagegen ankämpfte. Dann hatte er so getan, als würde er sie entkommen lassen, nur um jetzt umso grausamer zuzuschlagen.
Nein. Sie würde nicht zulassen, dass er sie genauso umbarmherzig zerstörte wie so viele andere. Schon jetzt hatte er ihr mehr als genug geschadet. Aber nur, weil sie es zugelassen hatte. Ab sofort musste sie sich um jeden Preis schützen. Sie konnte sich den Luxus, es einfach drauf ankommen zu lassen, nicht mehr leisten. Denn ihr Leben gehörte nun nicht mehr allein ihr selbst, sondern auch Alex. Ihr Kind brauchte eine gesunde Mutter, kein seelisches Wrack mit gebrochenem Herzen.
Aber trotzdem wollte es ihr einfach nicht gelingen, all diese Ideen auch wirklich umzusetzen. Noch immer
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