Wenn aus Verlangen Schicksal wird
fünfundzwanzig Jahren. Wir schulden uns eine Auszeit. Und wo könnte es uns besser gehen als in meiner Heimat?“
Ihre mitternachtsblauen Augen weiteten sich. Doch diesmal gelang es Aris nicht, zu erraten, was sie dachte.
Gequält stöhnte er auf. „Bitte, kala mou . Sag Ja!“
Ja.
Langsam hatte sie das Gefühl, dass sie dieses Wort einzig und allein für Aris reserviert hatte.
Kaum vierundzwanzig Stunden war es her, dass sie seinem Vorschlag zugestimmt hatte.
Kurz entschlossen hatte sie Kassandra eingeweiht, die gerade durch Europa reiste, und ihren Brüdern erzählt, dass sie ihre alte Freundin dort besuchen würde. Da sie seit zehn Jahren keinen Urlaub mehr genommen und seit Alex’ Geburt durchgearbeitet hatte, war ihre plötzliche Entscheidung auf Verständnis getroffen.
Und nun saß sie hier in Aris’ Privatjet und flog weg von all ihren Sorgen.
Sie hatte darauf bestanden, dass Eleni sie und Alex begleitete. Da die Nanny selbst eine Familie hatte, die sie nicht ohne Weiteres für mehrere Wochen alleine lassen konnte, war einfach der ganze Clan mitgekommen: Elenis Mann und ihre Tochter samt Schwiegersohn und Enkeln. Anfangs hatte Selene befürchtet, dass die große Entourage die Intimität zwischen Aris, Alex und ihr selbst zerstören könnte. Doch Aris hatte ihr zugesichert, dass sein Anwesen auf Kreta groß genug sei, um sich aus dem Weg zu gehen. Und Elenis Familie freute sich nicht nur, die „alte Heimat“ zu besuchen, sondern war auch glücklich und dankbar für einen kostenlosen Luxusurlaub.
Nachdem sie auf dem Flughafen Iraklio gelandet waren, hatte Aris sie eigenhändig in seinem privaten Hightech-Hubschrauber zu seinem Anwesen am Meer geflogen. Auf dem Landeplatz hatten zwei Limousinen gewartet. Eine davon brachte Eleni und ihre Familie zu den Gästehäusern, die andere chauffierte Aris, Selene und Alex ins Haupthaus.
Aris’ Villa war einfach atemberaubend: Eine Handvoll kleiner Nebenhäuser schmiegte sich in verwunschene Olivenhaine, in deren Mitte sich ein Hügel befand, der dicht mit Palmen, Pinien und Zypressen bewachsen war. In der Mitte des Wäldchens ragte das dreistöckige Haupthaus empor. Am Fuß des Hügels glitzerte das türkisfarbene Meer hinter einem scheinbar endlosen blassgoldenen Strand.
All die unbekannten Sinneseindrücke überwältigten Selene: Aris’ ständige Nähe, die atemberaubende Schönheit um sie herum, die fremd duftende Luft. Der April in New York war feucht und kalt gewesen. Wie anders war die milde, trockene Frühlingsluft auf Kreta! Nachdem Selene aus der Limousine gestiegen war, blieb sie kurz stehen, schloss die Augen und atmete tief durch.
Dann führte Aris sie die breiten Stufen hinauf, zwischen mächtigen Säulen hindurch zu der imposanten Eingangstür seines Hauses. Allein das Gebäude musste weit über tausend Quadratmeter groß sein, und das Anwesen erstreckte sich, so weit das Auge reichte. Aber es war nicht die Größe von Aris’ Besitz, die Selene beeindruckte.
Sie war selbst in einem gigantischen, imposanten alten Haus aufgewachsen, doch dort war die Atmosphäre völlig anders gewesen.
Aris’ Haus strahlte eine seltsame Wärme und Ruhe aus. Selene war gerade erst angekommen, und doch spürte sie schon, wie der Stress und die Hektik der Großstadt von ihr abfielen. Eigentlich kannte sie ihre griechische Heimat nur aus Erzählungen. Doch hier fühlte sie sich sofort zu Hause. Ja, als sie mit Aris durch das massive Holzportal schritt, kam es ihr vor, als ob sie heimkehren würde.
Auch die Einrichtung des Hauses war wunderschön: schlicht und doch hochwertig. Man sah, dass es Aris nicht darum gegangen war, mit seinem Reichtum zu protzen. Er hatte, wie es seine Art war, einfach von allem nur das Beste ausgewählt.
Direkt hinter der luftigen Eingangshalle lag ein einladender Wohnbereich, der in warmen Sandtönen gehalten war. Durch die deckenhohen Fenster, die den Blick auf einen liebevoll gestalteten Innenhof und einen großen Swimmingpool freigaben, flutete goldenes Sonnenlicht. Unwillkürlich erfüllte Selene ein tiefes Gefühl von Freiheit und Frieden.
Hinter ihnen betrat ein bodenständiges, attraktives Paar um die sechzig das Haus. Das mussten Aris’ Tante Olympia und ihr Mann sein. Sie wirkten ziemlich verwirrt und musterten erst Aris, dann Selene und schließlich Alex erstaunt. Aris legte seinen Arm um Selene, die Alex trug, und hielt sie so fest, als würde sie sich in Luft auflösen, wenn er sie losließ.
„Aristedes, du bist
Weitere Kostenlose Bücher