Wenn aus Verlangen Schicksal wird
geerntet hatten, brach es einfach aus Selene heraus.
„Ich will, dass Alex deinen Nachnamen trägt.“
Ruckartig hob Aris den Kopf und sah sie verblüfft an. Er war kreidebleich geworden, und seine Augen schimmerten verdächtig. Nach langem, fast unerträglichem Schweigen stieß er hervor: „ Theos, Selene … ist das dein Ernst?“
Sie nickte, nun selbst den Tränen nahe. Seine Freude rührte sie zutiefst.
„Du willst, dass Alex ab jetzt Sarantos heißt?“, wiederholte er fassungslos.
Wieder konnte sie nur stumm nicken.
Aber willst du auch, dass ich Selene Sarantos heiße?
Ein plötzliches Klopfen an der Tür ließ sie beide zusammenfahren.
Aris wirbelte herum und öffnete. Draußen stand Olympia, die wild gestikulierend auf ihren Neffen einredete. Obwohl Selenes Griechisch gut war, verstand sie nur den groben Inhalt: Christos war von der Leiter gefallen und hatte sich verletzt.
Mit wenigen Worten schickte Aris seine Tante zu ihrem Mann zurück und stürmte wieder zu Selene.
Er sah ihr tief in die Augen. Dann umarmte er sie so fest, dass sie beinahe den Boden unter den Füßen verlor, und folgte in der nächsten Sekunde seiner Tante aus dem Haus.
Nur Minuten später hörte Selene den Hubschrauber starten.
Gleich darauf rief Aris an. Im Hintergrund war der Motorenlärm zu vernehmen. „Christos hat sich die Schulter gebrochen. Ich fliege ihn ins Krankenhaus nach Iraklio.“
Selene zuckte zusammen. Den Gedanken, dass Christos litt, konnte sie nur schwer ertragen. „Oh Gott, ich hoffe, sie können ihm gleich helfen. Pass auf dich auf und richte ihm gute Besserung von mir aus!“
„Das mache ich. Selene …“ Er unterbrach sich, und mit seiner Stimme schien auch Selenes Herzschlag zu versiegen. „Als du gesagt hast, dass Alex meinen Namen tragen darf, meintest du da wirklich nur das?“
Sie schloss die Augen und wartete bang seine nächsten Worte ab.
„Traust du mir immer noch nicht genug, um ein gemeinsames Sorgerecht zu beantragen? Ich weiß, dass wir nur wenige Wochen miteinander hatten. Aber … Theos, Selene, zweifelst du immer noch an der Aufrichtigkeit meiner Gefühle? Befürchtest du ernsthaft, dass ich Alex irgendwann im Stich lassen werde?“
„Nein!“, erwiderte sie heftig. Nein, Alex würde er nicht im Stich lassen.
Aber was war mit ihr selbst? Mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, unterdrückte sie die Frage, die sie so quälte. „Ich bin mir sicher, dass du ihm dein Leben lang ein wunderbarer Vater sein wirst.“
Aris’ erleichterter Seufzer war so laut, dass sie ihn selbst durch den Hubschrauberlärm hindurch hören konnte. „Danke, Selene. Und ich verspreche, dass du diese Entscheidung nie bereuen wirst. Ich melde mich später wieder, kala mou . Und noch mal danke!“
Dann herrschte Stille. Eine Stille, an der Selene zu ersticken glaubte.
Er hatte sie mit keinem Wort erwähnt.
Es ging ihm nur um Alex.
8. KAPITEL
Aris war den ganzen nächsten Tag über weg, um sich darum zu kümmern, dass seiner Tante und ihrem Mann die beste Behandlung zukam.
Erst um sieben Uhr morgens hörte Selene, die eine weitere Nacht in der Hölle verbracht hatte, wie die Haustür geöffnet wurde. Ihr Herz schlug mit jedem Schritt, den sie vernahm, heftiger.
Ihr Experiment war abgeschlossen. Und Aris hatte den Test bestanden. Er würde Alex’ Vater sein. Jetzt mussten sie nur noch herausfinden, wie sie seine Rolle umsetzen wollten, wenn sie erst einmal in die wirkliche Welt zurückgekehrt waren. Es gab keinen Grund mehr, in Griechenland zu bleiben.
Er kam sofort in die Küche. Er wirkte erbittert und abgezehrt, und dennoch war er für Selene in diesem Augenblick der schönste Mann, den sie je gesehen hatte.
„Geht es … geht es Christos gut?“, fragte sie leise.
„Er wird schon wieder. Ich habe einen Spezialisten aus Athen einfliegen lassen.“ Dann schwieg Aris kurz und musterte Selene aufmerksam. Schließlich fuhr er fort: „Möchtest du wirklich nur, dass ich Alex’ Vater bin? Willst du mich sicher nicht heiraten?“
Ihr Herz setzte einfach aus. Fragte er nur, um sicherzugehen, oder hielt er gerade um ihre Hand an? Und falls er sie wirklich heiraten wollte, was waren seine Gründe?
Es war, soweit sie wusste, das erste Mal in seinem Leben, dass er sich den Regeln unterwarf und einen anderen Menschen Einfluss auf sein Leben nehmen ließ. Für Alex würde er alles tun. Aber sie schuldete es ihm, ihm die freie Wahl zu lassen. Und sie schuldete es sich selbst, die Wahrheit
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