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Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Titel: Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Andrea Huber
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die Taschen. Dabei konnte sie Nikolajs Blick auf sich spüren. Konnte ihn fast physisch wahrnehmen.
    Mörder … Monster … Mörder … Monster … 
Sie sprach die Worte in Gedanken immer und immer wieder vor sich hin einem Mantra gleich, dass sie beruhigen sollte. Es sollte sie jedoch daran hindern, sich auf den Parkettboden zu erbrechen oder die wie Blei auf ihrer Seele lastenden Worte zu widerrufen. Der Schmerz, der Nick ins Gesicht geschrieben stand, brachte sie fast um. Ihr eigener Schmerz brachte sie fast um.
    Kein weiterer Laut war seither über Nikolajs Lippen gekommen. Er stand noch immer unbewegt da. Einen Schritt von ihrer knienden Position entfernt und zugleich Millionen von Meilen von ihr – von „ihnen“ – entfernt.
    Sie konzentrierte sich auf die Gegenstände in ihren Händen. Auf das Gefühl der Materie auf ihrer Haut. Nichts änderte sich, bis sie schließlich die letzten Dinge verstaut hatte und sich erhob. Als sie ihn nun mit einem mühsam abschätzig hervorgebrachten Blick bedachte, war rein gar nichts mehr, wie irgendwann zuvor. Sie war nicht in der Lage, ihren Gesichtszügen die Erschrockenheit zu versagen. Jegliche Mimik entglitt ihr angesichts dieses Anblicks.
    Es war Nikolaj, der dort stand. Und doch war er es nicht. Etwas an ihm war falsch. In seinen Augen tanzten keine blauen Sprenkel mehr. Sie waren geflutet von trübem Schwarz. Seine Aura schien verändert, wirkte kalt und hart. Zwar sah sie auf den gleichen Körper, doch darunter schien nun etwas anderes zu atmen.
    Jetzt war es an ihr zur Statue zu versteinern. Regungslos stand sie da und vermochte sich nicht zu rühren. Es war, als würden ihre Füße plötzlich in einem Gipsklotz feststecken.
    Nikolaj schritt wortlos von ihr weg Richtung Kühlschrank, nahm die halbleere Flasche Bourbon heraus, ein Glas aus dem Schrank folgte. Nicht aufsehend, keinerlei Notiz von ihr nehmend, schenkte er sich ein – bis zum Rand des Glases. Er setzte es an den Mund und trank es in einem einzigen Zug aus.
    Klirrend setzte er das Glas auf der Keramikplatte ab und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.
    Auch seine Stimme war falsch. Sie konnte ihn nicht mehr darin erkennen. „Sie hatten recht. Ich hatte recht. Mit allem. Ich hab einen Narren aus mir gemacht. Oder mehr: Du hast einen aus mir gemacht. Es war eine Lüge. Alles. Von Anfang an. Jedes Wort, jede Geste von dir. Alles eine einzige Farce, die mich glauben machen sollte, ich wäre tatsächlich jemand, der dein Wohlwollen verdienen könnte. Nein, die mich hat glauben lassen, ich wäre auf dein Wohlwollen angewiesen. Doch das bin ich keineswegs …
    Hätte ich dir früher gesagt, wer – was – ich bin, hätte ich es mir sparen können, nun als gänzlicher Narr hier vor dir zu stehen. Aber ich versichere dir: Von diesem Augenblick an, spiele ich nicht mehr die Rolle des Narren.“
    Mit welcher Reaktion sie auch immer gerechnet hatte: nicht mit dieser. Weder inhaltsmäßig noch in der Art und Weise, wie Nikolaj sie hervorbrachte. Hart und von Bitterkeit durchzogen, quoll seine Stimme durch den Raum und versetze ihn mit klirrendem Frost. Es war falsch – so falsch, wie es nur sein konnte. Ein passenderes Wort fiel ihr nicht ein.
    Ihr wurde kalt. Ein eisiges Frösteln und Zittern glitt über ihren Körper und brannte schmerzhaft. Mehr und mehr wuchs bohrendes Unbehagen in ihr an und verschlang die brauchbare Geistesgegenwärtigkeit ihres Verstands. Er vermochte nicht zu definieren, was hier vor sich ging. Doch ein deutlicher Fingerzeig pochte laut und unüberhörbar hinter ihrer Stirn:
„Du kannst nichts von dem zurücknehmen, was du gesagt hast. Mach lieber, dass du so schnell wie möglich von hier verschwindest.“
    Hastig und willkürlich packte sie sich zwei der Taschen und eilte Richtung Wohnungstür.
    „Du irrst dich, wenn du glaubst, dass du so einfach gehen kannst“, schallt Nikolajs Stimme sonor durch den Raum und ließ sie im Schritt innehalten.
    Mit dem Finger fuhr er den Rand des Glases entlang, hob den Kopf und sah sie unvermittelt an. Der fremde und kalte Ausdruck, der auf seinem Gesicht lag, peitschte ihr entgegen, wie eisige Meeresgischt, schlug sie nieder und stahl ihr die Luft.
    „Wa … was …?“ Die Laute kamen heiser aus ihrem Mund hervor.
    „Du hast mich schon verstanden. Ich denke, ich habe mich klar ausgedrückt. So klar, wie du dich gerade eben ausgedrückt hast. Wir spielen jetzt nach anderen Regeln.“
    Sie setzte den Fuß auf, um

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