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Wenn das der Führer wüßte

Wenn das der Führer wüßte

Titel: Wenn das der Führer wüßte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Basil
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Dabei hatte Jugurtha eine seiner romantischen Anwandlungen: er fühlte sich als Wikinger, und Sigga war die Wikingerbraut.
    Das Wikingerschiff entpuppte sich allerdings als Truppentransporter älteren Musters. An beiden Innenwänden des Rumpfes liefen schmale, unbequeme Sitze entlang, die an metallenen Gurten hingen. Die Sitze schaukelten leicht, man saß mit dem Rücken zur Bordwand. Es war saumäßig kalt, die Bullaugen blinkten silbern. Jugurtha sah, daß einige der Flüchtlinge sichs unter den Sitzen am Boden bequem machten, und so streckte auch er sich aus, und Sigga tat das gleiche. Er fand eine dicke Kotze zum Zudecken, Siggas Koffer und die Pelzmützen dienten als Kopfpolster. Eng aneinandergeschmiegt, soweit das mit den wattierten Pelzen möglich war, lagen sie da und fanden es trotz der lähmenden Müdigkeit leidlich. In der Mitte mußte ein breiter Gang freigehalten werden.
    Der lange düstere Kabinenschlauch füllte sich mit Menschen, man eilte geschäftig hin und her, Schwimmwesten wurden verteilt, auch Marschapotheken und Vitamintabletten ausgegeben, man brachte heißen Kaffee, das Bordradio spielte flotte Weisen. In den Eingeweiden der Maschine fing es zu rumoren an. Nochmals zählte die Bodenmannschaft ab und verglich die Ausweise mit der Passagierliste – dabei hätte es beinah eine Panne gegeben.
    Jugurtha und Sigga besaßen als Ehepaar einen gemeinsamen Reisepaß, aber ohne Eintragung über erfolgte Impfungen. Nämlich: die Lagerinsassen waren gegen alles mögliche geimpft worden, auch Reihenuntersuchungen auf Skorbut und andere Mangelkrankheiten hatten stattgefunden. (Die Impfungen wären nicht zu umgehen gewesen, doch Knuds „abgekürztes Verfahren“ hatte da vorgebeugt.) Jedenfalls fehlte die Bescheinigung. Bange Minuten. Würden sie zurückgewiesen und für einen späteren Transport gebucht, käme man wahrscheinlich auf den ganzen Schwindel und – entsetzlicher Gedanke – auf die Sache mit Eycke.
    Wieder hatten sie Schwein, das Startzeichen rettete sie. Der kontrollierende Beamte trug ihnen bloß auf, sich am Bestimmungsort bei der ärztlichen Betreuung zu melden. (Das würden sie ohnehin tun, natürlich mit aller gebotenen Vorsicht – wer weiß, ob die einen nicht einschläferten, wenn die Strahlendosis zu hoch gewesen war.) Und was den gleichfalls fehlenden Skorbutbefund anginge … Der Beamte händigte ihnen eine Extraration C-Vitamin-Lutschbonbons ein und wünschte ihnen gute Fahrt. Ein freundlicher Herr. Jugurtha wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    In den Strahlantrieben sang es hoch und pfeifend. Der Riesenvogel zitterte leicht und begann dahinzurollen. Durch die vereisten Bullaugen glitzerten die Scheinwerfer des Fliegerhorstes, ihre Strahlen wanderten über die dunkle Kabinenwand, schnell und schneller. Der Anschnallbefehl war von den meisten mißachtet worden. Jugurtha und Sigga preßten ihre Körper aneinander, sie bettete den Kopf auf seinen rechten Arm und ließ sich liebkosen. Ihr Gesicht hob sich seinen Küssen entgegen, niemand sah es oder hätte sich darum gekümmert. Als der durchdringende Singsang der Triebwerksirenen in ein tiefes, sattes, machtvolles Brausen überging, fanden sich ihre Münder. Beide lechzten nach leidenschaftlichen Umarmungen.
    Das Flugzeug hob unmerklich von der Startbahn ab, nur der Kabinenboden drückte gegen ihre Leiber, die Maschine stieg rasch und steil nach oben. Das Auf und Ab des Schwebens empfanden sie als zusätzlichen Kitzel.
    Jugurtha hatte das Gefühl, daß etwas Wunderbares geschehen werde, nicht gleich, aber bald. Hatte er doch dieses herrliche, vielumgierte Weib für sich gewonnen – nichts war daher unmöglich. Die Nähe ihres üppigen, brünstigen Fleisches oder das Außerordentliche, das er auf sich zukommen spürte, ließ ihn erbeben, seine Pulse flogen, als er unter der Decke Siggas Mantel öffnete und ihre Haut suchte. Sie selber knöpfte sich die Bluse auf, und auch ihre Hände wurden gierig. Schwindelerregendes Entzücken!
    Eine Zeitlang hatte er mit dem Gedanken gespielt, sie zu demütigen, zu erniedrigen und ihr dann den Laufpaß zu geben. Er wollte sie in der gemeinsten Weise besitzen, um ihr zu zeigen, daß er sie für eine Schlampe hielt. Das sollte der gerechte Ausgleich für die Peitsche sein. (Noch immer war das Schandmal zu sehen.)
    Das aber ging jetzt nicht mehr. Sigga hatte kein Bewußtsein von jener kläglichen und widerlichen Szene, sie ahnte auch nicht, wer er war oder gewesen war, was er damals wollte,

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