Wenn das der Führer wüßte
malayischer Herkunft, hatten offene Augenschlitze und breite, platte Nasen; sie ließen sich nicht von den Wänden nehmen.
Er kostete von dem süßen Zeug. Es schmeckte vage nach Pistazien, aber potenziert süß, und ließ einen scharf brennenden Geschmack im Munde zurück, wie Pfeffer.
Das Pendel! Er setzte sich, schloß die Augen, um sich zu entspannen, und nahm das geknotete Frauenhaar – es stammte von Ingrid, seiner Heydricher „Gelegentlichen“ – zwischen Zeigefinger und Daumen. – – – Nicht möglich, das dumpfe Begehren, das ihn wie ein Meer erfüllte, auch nur für Sekunden auszuschalten, wenn er an „Sinfiôtli“ dachte. Er erweckte ihr Bild, klar und schmerzhaft in den Konturen stand es vor ihm – und doch seltsam wesenlos. Nur Anselmas Körperlichkeit lebte in ihm, er konnte an nichts als an ihr Geschlecht denken, an alle möglichen Arten ihrer Liebe. Immer wieder versuchte er, sich leer vom Denken zu machen und nur zu beobachten. Seine Hände zitterten mehr und mehr, je länger er an sie dachte, das leichte Ringpendel schoß fahrig herum, und als er sich bemühte, die Hand ruhig zu halten und Anselmas Od in sich aufzunehmen, wurden die mantischen Schwingungen nur noch verkrampfter und verwischter. Keine Beschwingtheit ging von ihnen aus, bloß Lähmung.
Bei Ulla hatte er das Gefühl gehabt, es mit einem elementaren Wesen zu tun zu haben. Es war Hingabe – abstrakte Hingabe – an eine Macht, vor der er ein Hauch war. Hier aber, im Verlauf dieses Pendelversuchs, trat nichts als nackte Gier zutage, Gier nach Vergewaltigung des Weibchens, dem er ebenbürtig, wenn es ihm nicht unterlegen war, weil es, wie er spürte, Wohlgefallen an ihm hatte. Höllriegl ahnte, daß er durch seine Männlichkeit, ja sogar mit seiner „romantischen“ Art Eindruck auf Anselma machen konnte, und das gab ihm Sicherheit. Zugleich aber wußte er, daß diese Selbstsicherheit Trug war – mit ihrer Kälte, ihrer Intelligenz, ihrer Rasse, ihrem Spott (besonders ihrem Spott!) konnte sie leicht ein Spielchen mit ihm treiben. Insgeheim fürchtete er sie; doch auch diese Furcht zog ihn in ihren Bann. In manchem hatte sie mit der Bernsteinhexe eine vage Ähnlichkeit, nur war Anselma von altem Blut, edler Rasse, außerdem hatte sie kränkliche Nerven. Er war im Innersten davon überzeugt, daß er sie sich gefügig machen konnte, wenn er nur wollte; aber es fröstelte ihn bei dem Gedanken, dieser Frau, die ein so grausames Geschlechtswesen war, zu verfallen. Er stand auf und steckte das Pendel in die Tasche. Schließlich war er hergekommen, um Anselmas Schwäche auszunützen. Nur einen Abend lang. Morgen mußte er fort.
Er spähte in den langen, schmalen Korridor hinaus. Am Ende des Ganges hörte er Ko in der Küche hantieren; diese war, wie er gesehen hatte, winzig, eher ein Verschlag, die richtige Kitchenette einer Junggesellin. Endlich! Schritte auf dem Flur, Schritte, die sich der Wohnungstür zu nähern schienen; es war ihm, als flüstere draußen wer oder lache unterdrückt, das war wohl nur Sinnestäuschung, denn nichts rührte sich. Anselma war es also nicht gewesen.
Leise zog er sich ins Zimmer zurück und schob den schweren Wintervorhang zur Seite, der die ganze Vorderwand bedeckte; das Licht hatte er vorher ausgeknipst. Die breite Glastür, die zum Vorschein kam, führte zur Terrasse, diese mochte im Sommer als Dachgarten dienen. Es war stockfinster, nur die Lichtkegel der Luftabwehr betasteten den niedrigen Himmel. Plötzlich hörte er wieder Schritte, leichte Schritte, diesmal im Vorraum. Anselmas Stimme! Und Ko Won antwortend.
Das Blut schoß ihm zum Herzen, das unregelmäßig zu hämmern begann. Er warf den Vorhang zu, drehte das Licht an und lugte durch den Türspalt. Nichts. Anselma war anscheinend ins Badezimmer gegangen, Höllriegl horchte angestrengt. Er hielt sogar den Atem an, weil das Geräusch des Atmens dumpf in seinen Ohren dröhnte. Und da vernahm er, wie sie in der Stille ihren Urin ließ, das Zischeln des Strahls war deutlich zu hören, ein Papier abriß und die Spülung betätigte. Mit maßlos geschärften Sinnen hörte er, daß sie sich ihrer Kleider entledigte; die Wände schienen jeden Laut durchzulassen. Dann rauschte Wasser in die Wanne, nur wenig – Duschen war ja verboten. Sie wusch sich.
Höllriegl stand noch an der Tür, als Anselma eintrat; sie trug einen dunklen Kimono, der orangen geflammt war. Aufstöhnend schlüpfte sie, ein zierlicher Feuersalamander, in seine Arme. Er
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