Wenn das der Führer wüßte
einen spöttischen Beiklang und war aus „Gänsehaut“ und „jemandem ein X für ein U vormachen“ hergeleitet.
„– der Inarteram läßt sagen, er habe nichts dagegen, wenn Sie kommen. Fahren Sie ein Brufart? Wenn ja, dann orten Sie in Sauckelruh an und kommen zu uns herauf zu Fuß oder auf dem Walf – Sie erhalten Leih-Walfe beim Eigenulf Schicketanz, wiederhole: Schicketanz, An der Pfordten 3. In Sauckelruh haben Sie ein Daruh, die Illatümer dort sind zwar klein, aber quemvoll. Es gibt auch eine Freunat – die aber ist järtig, sie däunern daher besser im Daruh, dort hat auch Ihr Brufi gleich trefflichen Aranau. Das Pörnamt sagte, Sie sprächen aus Berlin? Und fahren wann?“
„Ich fahre morgen und bin voraussichtlich am Nachmittag in Sauckelruh. Wenns erlaubt ist, würde ich am Donnerstag früh bei Herrn Professor vorsprechen …“
„Der Inarteram arbeitet zur Zeit an einer neuen Mögesicht, er lebt äußerst zurückgezogen, doch Ocka und Hingult an den Lebensvorgängen sind ihm geblieben. Kommen Sie also! Der Inarteram wird inzwischen die Eurate befragen, den Beison, das Hellau, den Rann, den Riesert, den Mönerich, den Jahrureu, die Himelor und den Neunis. – Donnerstag trifft sich gut, da ist Hörewart, und der Inarteram spricht zu den Besuchern von nah und fern. Er behörwartet aber nur die Wussal …“
Höllriegl hätte hier das Gespräch abbrechen können, doch er weidete sich an der goldenen Stimme am anderen Ende des Drahtes. „Mit wem spreche ich?“
„Ich bin der Beiward des Inarteram. Eigentlich erwisse ich die Galm, ich hobautalle die Saidunt, das Amsod, das Häminupf und [fröhliches Lachen und Überraschungspause] den Lipping. Diese Galminge spiele ich wirklich durgel. Sind Sie auch Galmer?“
Es mußte ein Kind sein, wahrscheinlich ein Junge. Diese Unbefangenheit! Beiward? Das konnte wohl nur Assistent bedeuten – der Assistent eines berühmten „Inarteram“ ein Kind?
„Ja, ich spiele Klavier.“
„Oh, das Rausod! Wie lange schon? Sind Sie ringoß? Lieben Sie auch das Porab, das Manigum? Ich besuchte das Galmweisedom, beendete es aber nicht, zum großen Schmerz meiner Wissander. Ich wollte Garald-Rausothar werden – oder Manigand. Ich glaube, daß ich das Junod dazu gehabt hätte. Jetzt habe ich mich ganz der Inartenis verschrieben – ein Auchweil! – – – Heute ist Plötzaus, im ganzen Reichsgebiet, wissen Sie es schon? Geben Sie acht! Doch ich halte Sie auf. Pörnen kostet Münze. Sind sie reich? Wie reich sind Sie?“
„Ich bin arm“, sagte Höllriegl und mußte lächeln.
Höllriegl benützte die U-Bahn; der Verdunkelung wegen hatte er den Wagen zurückgelassen. Am Bahnsteig Uhland-Straße gab es nur wenige Wartende, fröstelnd standen sie in der Zugluft herum. Der Verkehr war gedrosselt worden. Man hatte Höllriegl gesagt, dies wäre nach langer Pause wieder die erste Total Verdunkelungsübung. (War es überhaupt eine „Übung“?) Wer nicht unbedingt fort mußte, blieb lieber daheim.
Eine Streife in Zivil hielt ihn an. Er zeigte die Papiere. Wehrpaß, Ahnenpaß, I-Karte mit Finger- und Handballenabdrücken, Partei- und Schriftwartausweise, auch den Marschbefehl – eine ganze Sammlung. Als die drei behandschuhten, barsch amtierenden Männer mit berufsmäßig argwöhnischen Blicken die Kontrolle beendet hatten – beim Marschbefehl hatte ihm der Herzschlag gestockt –, fuhr der Zug ein. Er kam sich gedemütigt vor, irgendwie lächerlich mit seinen Chrysanthemen. Eine romantische Huldigung, wie sie nicht für Anselma paßte. Wie hatte sie gesagt? Naphthalin …
Verdüstert setzte er sich in dem fast leeren Waggon in eine Ecke und las mechanisch die Reklamen oder fingerte an dem Haarpendel herum, das er in der Rocktasche trug. Merkwürdig, die Freude an Anselma nahm ab, je mehr er sich ihrem Wohnort näherte. Was war los?
Wittenberg-Platz. – Nollendorf-Platz. – Gleisdreieck. – Hallesches Tor. Er mußte aussteigen.
Zwischen den Tunnels der U-Bahn und den Straßen ober Tage, deren Nächtigkeit nur von den Glühwürmchen spärlicher Taschenlampen belebt wurde, war kaum ein Unterschied. Langsam und unsicher ging er seines Weges, ein Lautsprecher am Halleschen Tor brüllte gerade die Schlußtakte der „Peer-Gynt-Suite“ ins Leere. Menschen glitten schemenhaft an ihm vorbei, die blicklosen Häuser ragten wie Mausoleen in eine Höhe, die kein Ende hatte.
Langsam und unsicher bewegten sich auch, mit abgeblendeten Scheinwerfern, die wenigen
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