Wenn das Dunkle erwacht (German Edition)
Wenn wir uns nur eine Sekunde länger in der Gegend aufhalten, als wir unbedingt müssen, beschwören wir den Ärger geradezu herauf. Das tun wir sowieso schon.“
„Also, es geht um etwas, das wir ganz sicher brauchen werden.“ Sie holte tief Luft und hielt seinem dunklen, durchdringenden Blick stand. „Es handelt sich um meine Forschung, Quinn. All die … Notizen, die ich gemacht habe. Alles, was mich auf der Suche nach den Dark Markern schließlich hierhergeführt hat.“
Er ging auf sie zu, um das Fußende des Bettes herum, bis er direkt neben ihr stand, steckte dann die Hände in die Hosentaschen und blickte mit dieser Intensität auf sie herab, bei der sie sich immer vorkam, als sei sie nackt bis auf die Knochen. „Glaubst du wirklich, dass einer davon hier ist?“, fragte er.
Auf keinen Fall durfte sie etwas von ihrem Wissen preisgeben. „Absolut. Und später, wenn es wieder sicher ist, muss ich irgendwie hierher zurückkommen, um danach zu suchen.“
Quinn schüttelte den Kopf. „Es wird besser sein, wir schicken ein Team hier runter. Denen kannst du ja sagen, wo sie suchen sollen.“
„Also, wenn ich meine Unterlagen nicht mitbringe, werde ich niemandem irgendwas sagen können. Ich kann die Papiere nicht hier zurücklassen, Quinn. Wir können nicht riskieren, dass sie in die falschen Hände geraten.“
Sie spürte sein Misstrauen. Seine Nervosität. Es stand alles in diesen dunklen, hypnotischen Augen. Aber er widersprach nicht. Und eine Lügnerin nannte er sie auch nicht.
Stattdessen trat er einen Schritt zurück und deutete mit dem Kinn zum Badezimmer. „Dann steh auf und mach dich fertig. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren.“
Zwanzig Minuten später, nachdem sie Kaffee getrunken und etwas Gebäck gegessen hatten, brachen sie auf. Bei ihrer Rückkehr sollte ein Mietwagen für sie bereitstehen. Quinn ließ seinen Seesack beim Empfang, und sie gingen zu Fuß zum Redondo Hotel, das nur vier Häuserblocks entfernt war.
„Eigentlich Schwachsinn, was wir hier machen“, murmelte er vor sich hin, während sie sich ihren Weg durch die geschäftige Straße bahnten. Die südamerikanische Morgensonne brannte bereits auf ihren Schultern, und die Luft war so feucht, als würden sie durch dichten Nebel laufen.
„Wo wir schon von Schwachsinn reden, hältst du es wirklich für schlau, ausgerechnet heute einen Flieger zu nehmen? Direkt zum Flughafen zu fahren? Werden die damit nicht rechnen?“ Beim Frühstück hatte Quinn ihr seine Sorgen wegen der verkohlten Leichen der Brüder Ruiz mitgeteilt. Falls das Kollektiv ebenfalls schon auf der Jagd nach ihnen war, wurden ihre Chancen, es lebend bis nach Colorado zu schaffen, immer geringer, das war Saige seitdem klar.
Es bestärkte sie aber auch in ihrer Überzeugung, dass sie das Richtige tat. Quinn hatte es wirklich nicht verdient, durch seinen Auftrag an sie gefesselt zu sein – ein Mann, dem sie gefühlsmäßig gar nichts bedeutete.
Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, die Einbuchtungen seiner Wangen, immer noch von dichten Stoppeln bedeckt, wirkten finster und entschlossen. „Wir werden natürlich Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Zunächst fahren wir hoch nach Ros Ablos, von da nehmen wir einen kurzen Flug nach Santina, in Kolumbien.“
„Und dann?“
„Verschiedene Flüge bis nach Mexiko. Dort nehmen wir uns wieder einen Wagen und durchqueren New Mexico über den Highway 25, der geradewegs hoch bis nach Colorado führt.“
So eine Reise würde Zeit brauchen, aber Saige hatte ursprünglich eine ganz ähnliche Route eingeplant, fern von den großen Flughäfen und Hauptknotenpunkten, wo die Casus und das Kollektiv nach ihnen Ausschau halten würden. Jetzt musste sie sich einen anderen Plan ausdenken und dafür sorgen, dass Quinn sie nicht finden konnte, sobald sie es geschafft hatte, ihn abzuschütteln.
Nicht dass es nicht wunderbar wäre, die Strecke mit ihm an ihrer Seite hinter sich zu bringen. Sie hätte ihn gern bei sich gehabt, seinen Schutz, seine … Kameradschaft. Aber nach dem, was erst Templeton und dann Javier und seinen Brüdern zugestoßen war, und in dem Wissen, dass die Casus eigentlich nur hinter ihr her waren und ihrer Spur folgen würden, wollte sie das Risiko schlicht nicht eingehen. Sie wollte nicht, dass auch sein Blut an ihren Händen klebte, das hatte sie gestern Nacht ernst gemeint.
„Wir haben eine ziemlich lange Reise vor uns“, bemerkte Quinn und unterbrach damit ihre Überlegungen.
„Ja, denke ich auch“,
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