Wenn das Dunkle erwacht (German Edition)
werden.“
Inez erhob sich und schüttelte den Kopf, in ihren dunklen Augen lag ein erschreckend wissender Ausdruck. „Diese Entscheidung hätte er vielleicht besser selber treffen sollen, Saige.“
„Es war aber nicht seine Entscheidung.“ Sie hob den Rucksack auf die Schultern und musste einen Kloß im Hals hinunterschlucken. „Sie haben ihn geschickt. Für ihn ist das alles bloß ein Auftrag. Und der würde ihn ganz bestimmt umbringen.“
„Hmm“, machte Inez noch einmal. „Ich kann mich natürlich irren, aber für mich wirkte er nicht wie ein Mann, den man dazu bringen kann, etwas zu tun, das er nicht selbst tun will.“
Da war was dran, aber andererseits hatte Quinn selbst gesagt, dass er den Auftrag eigentlich nicht gewollt hatte.
„Hör endlich auf, alles immer selbst erledigen zu wollen, und geh heim zu deiner Familie“, riet Inez. „Rubens und ich können schon auf uns aufpassen, aber für dich ist es hier nicht sicher.“
Weise Worte, nur war Saige leider die Tatsache bewusst, dass die Gefahr ihr auf dem Fuß folgte. Eigentlich gab es nur eine Chance: dauernd in Bewegung zu bleiben, alle abzuhängen, die ihr vielleicht folgten, und es so schnell wie möglich bis nach Colorado zu schaffen. Nachdem sie sich in Denver mit Jamison getroffen hätte, könnte sie sich, bewaffnet mit dem Dark Marker, dem mörderischen Bastard stellen, genau wie Ian das getan hatte. Nach dem, was er Javier angetan hatte, war sie jedenfalls ausreichend motiviert dazu.
Saige schloss Inez in die Arme. „Danke. Für alles.“
Inez nahm ihr Gesicht in ihre kühlen, weichen Hände. „Freundschaft ist umsonst, Saige. Da bedankt man sich nicht. Ich verlange nur von dir, dass du auf dich aufpasst.“ Inez schniefte etwas und öffnete die Tür. „Komm jetzt mit. Rubens und ich machen dir noch schnell was zu essen, bevor du gehst.“
„Das geht nicht“, sagte sie, während sie Inez den Gang entlang folgte. „Wenn Quinn nach mir sucht, wird er wahrscheinlich zuerst hier nachsehen. Ich muss mich auf den Weg machen.“
„Wenn du schlau wärst, Saige, würdest du zu ihm zurückgehen. Bevor es zu spät ist.“
Als sie wieder die Bar betraten, wusste Saige sofort, dass es längst zu spät war.
Es waren diese Augen, die sie verrieten.
Die beiden Neuen an der Theke, das erkannte sie auf den ersten Blick, wollten sich nicht ein kühles Bier gegen die Hitze hinter die Binde kippen. Die waren nur ihretwegen hier.
Beide Männer waren erschreckend attraktiv, musste Saige feststellen. Groß, dunkel und muskulös. Vermutlich Brüder, nahm sie an, so ähnlich waren ihre Statur und ihre Gesichtszüge.
Sie mochten aussehen wie Menschen, aber Saige erkannte die Wahrheit an ihren kalten, eisblauen Augen.
Am liebsten wäre sie ihrem ersten Impuls gefolgt und sofort geflohen, aber das konnte sie nicht. Nicht solange Inez und ihr Mann bei ihr waren. Rubens stand hinter der Bar, wischte die Theke und war sich der Gefahr überhaupt nicht bewusst, die kaum einen Meter von ihm entfernt auf der anderen Seite lehnte, von wo die beiden Männer – die beiden Casus – sie mit raubtierhafter Intensität musterten.
Wenn sie jetzt abhaute, müssten wahrscheinlich schon wieder Freunde von ihr den Preis dafür bezahlen, und das wollte sie auf keinen Fall zulassen. Saige zwang sich, äußerlich ganz ruhig zu bleiben. Sie legte Inez eine Hand auf die Schulter. „Die beiden da an der Bar kommen von der Firma, die unsere Dschungelführer stellt. Ich muss noch kurz mit denen über die nächste Expedition im Herbst reden. Aber das mache ich auf dem Weg zur Bushaltestelle.“
Inez nickte, aber sie hatte einen fragenden Blick in den Augen. „Bist du sicher, dass die beiden keinen Ärger machen?“
Saige drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Es ist alles in Ordnung, das verspreche ich. Und ich werde anrufen, sobald ich kann.“
Sie spürte Inez’ besorgten Blick, während sie auf die beiden Casus zuschritt, die so menschlich wirkten. Einer war ja schon schlimm genug, aber mit zweien konnte sie unmöglich fertigwerden. Sie zerbrach sich den Kopf, wie sie vorgehen sollte, und wusste doch gleichzeitig, dass sie nicht den Hauch einer Chance hatte.
Der Mann auf der Rechten, dessen längeres Haar ihm fast bis auf die Schultern fiel, setzte ein entschieden bösartiges Grinsen auf. „Also, wenn das nicht die kleine Saige ist“, flötete er heiser.
„Was wollt ihr?“, fragte sie, selbst verblüfft über den kühlen und ruhigen Klang ihrer Stimme.
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