Wenn das Dunkle erwacht (German Edition)
schüttelte den Kopf und schob ein Gewirr dichter Kletterpflanzen aus dem Weg. Die feuchten Gräser am Boden reichten ihnen bis zu den Waden. „Das brauchten wir gar nicht. Wir wussten, dass du zu der Bar kommen würdest, also haben wir da gewartet. Aber es ist ja offensichtlich, dass du ihm entwischt bist. Dein Beschützer hätte dich auf keinen Fall allein dorthin gehen lassen.“
Sie biss sich auf die Zunge, um ihm nicht zu verraten, weshalb sie abgehauen war.
„Und jetzt wirst du uns zu dem Dark Marker führen.“
„Nein“, sagte sie langsam. Über ihnen stieg eine Schar vielfarbiger Vögel aus den Baumkronen auf, das Schlagen ihrer Flügel klang, als würden tausend kleine Füßchen über einen gefliesten Boden patschen. Saige wünschte, sie könnte sich genauso in die Lüfte erheben. Wie Quinn. Ihre nächsten Worte waren vermutlich ihre letzten. „Ich denke nicht, dass ich das tun werde.“
Royce packte ihren linken Arm und riss sie herum. „Dir liegt doch was an diesen Leuten, denen die Bar gehört, oder, Saige?“ Seine eisblauen Augen glühten vor Hass … und vor Gier.
„Du willst doch nicht, dass sie genauso enden wie der Junge und seine Brüder, nicht wahr?“, meinte Gregory mit falscher Freundlichkeit, und ihr Kopf fuhr zu ihm herum.
„Was hast du gerade gesagt?“ Sie sprach so leise, dass es kaum mehr als ein Hauchen war, aber der Nebel des Entsetzens, der sie umhüllte, begann sich plötzlich zu lichten. Stattdessen stieg wilde Wut in ihr auf, der Merrick regte sich, auf einmal nahm sie alles viel deutlicher wahr. Ihre Gedanken waren bei Javier und seinen Brüdern, bei seinem fröhlichen Lachen.
Und vor allem dachte sie daran, was diese Schweine ihm angetan hatten.
„Der Junge gab wirklich sein Bestes, um nichts über dich zu verraten, aber gegen Ende wurde er dann doch recht hilfsbereit. Er hat uns verraten, dass du irgendetwas schrecklich Wertvolles im Safe der barra zurückgelassen hast.“ Gregory betrachtete den Rucksack, den sie immer noch über der Schulter trug. „Wir nehmen an, dass du die Karten hast. Wäre doch wirklich eine Schande, wenn er ganz ohne Grund leiden musste.“
„Du verdammtes Arschloch!“, zischte sie und wollte ihn mit bloßen Händen zerfleischen. Der Merrick in ihr sammelte seine Kräfte – aber er schaffte es nicht, an die Oberfläche zu kommen und dem Casus an die Kehle zu gehen.
„Das reicht, Mädchen.“ Gregory schnupperte an ihr wie ein Löwe an einem saftigen Stück Fleisch. „Dein Merrick will herauskommen und spielen, aber erst musst du ihm verschaffen, was er dazu braucht.“
Der Mann hatte recht. Ihr Merrick wollte herauskommen – auch wenn er etwas anderes im Sinn hatte, als bloß zu spielen. Er versuchte verzweifelt, sich zu befreien, aber sie war noch nicht stark genug. Sie musste erst das Blut trinken, das er als Nahrung brauchte, sonst würde dieser primitive Teil ihrer Seele in ihr gefangen bleiben.
Aber er war da, tobend vor Wut und Rachsucht, um den Mördern dieselben Qualen zuzufügen, die Javier erdulden musste. „Du bist es gewesen“, knurrte sie mit gefletschten Zähnen, doch Gregorys eisige Augen leuchteten nur vor Vergnügen. „Du hast ihn gefoltert! Du hast ihm die Finger abgebissen! Du Dämon!“
Er lächelte wie eine Viper, kurz bevor sie zustoßen wollte. „Wenn dich das mit den Fingern schon so fertigmacht“, säuselte er, „dann willst du gar nicht wissen, was ich ihm als Nächstes abgebissen habe.“
Als sie seine Worte begriff, riss sie sich rasend vor Wut aus Royce’ Griff los und stürzte sich wie eine Furie auf Gregory, tretend und schlagend und schreiend … und ergebnislos. Royce packte sie von hinten und zog sie von ihm weg. Im selben Moment hob Gregory einen Arm, und trotz aller Wut konnte Saige nichts tun. Seine mächtige Faust traf ihr Kinn, und alles wurde schwarz. In der einen Sekunde hatte sie noch schreiend um sich geschlagen. Und dann … nichts. Nur schwarzes, leeres Nichts.
Als sie wieder zu sich kam, hatte sie keine Ahnung, wie lange sie bewusstlos gewesen war. Eine Stunde? Zwei? Die Kehle tat ihr weh, sie schmeckte Blut und Tränen in ihrem Mund, in ihrem Kiefer pulsierte ein dumpfer Schmerz. Sie konnte nur beten, in ihrer Bewusstlosigkeit nicht auch noch vergewaltigt worden zu sein, fuhr mit den Händen schnell über ihre Kleidung und weinte vor Erleichterung, dass alles noch an seinem Platz war. Saige öffnete die Augen und stellte fest, dass sie mitten in einer kleinen Lichtung auf
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