Wenn das Glück dich erwählt
dass es im Haus noch kälter war als draußen, und die Luft war feucht und roch nach alter Asche, kaltem Zigarettenrauch und ungewaschener Wäsche. Es war ein Haus, das dringend die liebevolle Betreuung einer Frau benötigte, und Evangeline spürte, wie bei dem Gedanken etwas von ihrer Energie zurückkehrte. Gleich morgen früh würde sie die Ärmel aufkrempeln und dieses Haus in Ordnung bringen.
Nachdem Scully die Tür geschlossen hatte, suchte er Streichhölzer und zündete eine Petroleumlampe an, die in der Mitte eines großen, ziemlich groben Tisches stand. In den Schatten, die sich nur sehr widerstrebend in die Ecken zurückzuziehen schienen, erkannte Evangeline die Umrisse eines Herds, eines Bettgestells und eines Waschtischs, auf dem ein Krug und eine Schüssel standen.
Scully trat an den Kamin und zündete das bereits aufgeschichtete Holz mit einem weiteren Streichholz an. Sowohl Abigail wie Evangeline fühlten sich wie magisch angezogen von der Wärme, so gering sie anfangs auch noch war, weil es so unerträglich kalt und feucht in diesem Haus war.
»Ich werde auch ein Feuer im Herd anzünden«, sagte Scully. »Dann wird es Ihnen schneller wärmer werden.«
Abigail trat näher zu Evangeline und nahm ihre Hand. »Können die Wölfe hier hereinkommen, Mama?«
Bevor Evangeline etwas erwidern konnte, kam Scully zu ihnen hinüber, hockte sich vor Abigail und legte sanft seine großen Hände um ihre Schultern. »Es gibt keinen Wolf, der durch diese dicken Wände käme«, sagte er. »Ich werde dich beschützen, Abigail. Du hast mein Wort darauf.«
Evangeline spürte, wie sich bei Scullys feierlichem Versprechen ein Kloß in ihrer Kehle formte, und wieder kamen ihr die Tränen. Sie schob die Reaktion auf ihre Erschöpfung nach der langen Reise, aber selbst nachdem sie eine Rechtfertigung dafür gefunden hatte, war sie nicht fällig, zu sprechen.
»Wirst du auch meine Mama beschützen?«, fragte Abigail treuherzig.
Scully, der noch immer vor ihr hockte, schaute auf und suchte Evangelines Blick. Sie war froh über das schwache Licht, das ihren Gesichtsausdruck so unergründlich für ihn machen musste, wie seiner es für sie war. »Vor allem Unheil«, versprach er feierlich. Dann stand er auf, und seine nächsten Worte waren an Evangeline gerichtet. »In der Speisekammer sind Konserven und einige andere Vorräte, falls Sie etwas zum Abendessen wollen. Sie und Abigail können das Bett dort drüben haben - ich werde die Bärenfelle hereinbringen, damit Sie heute Nacht nicht frieren.«
»D-danke«, erwiderte Evangeline unsicher.
Er zündete eine zweite Lampe an und dann noch eine dritte, sodass der ganze Raum langsam erkennbar wurde, und ging zum Herd. Bald hatte er auch dort ein Feuer brennen, und wohltuende Wärme strahlte nun auch von diesem Ende des langen Raumes aus.
»Ich muss jetzt gehen und die Maultiere versorgen«, sagte er, schon auf dem Weg zur Tür. »Richten Sie sich ein, so gut Sie können. Ich weiß, dass Big John sehr viel daran liegen würde, dass Sie sich hier wohl fühlen.«
»Werden Sie mit uns essen?«, fragte Evangeline. Sie wollte ihn nicht gehen lassen, und nicht nur, weil sie Angst vor Indianern, Wölfen und Banditen hatte.
Sie hätte schwören mögen, dass er errötete. »Ich habe noch etwas Dörrfleisch draußen in der Scheune«, sagte er. »Am besten sage ich Ihnen jetzt gleich schon gute Nacht. Vergessen Sie nicht, die Tür hinter mir zu verriegeln.«
»Nein!«, protestierte Abigail entschieden. »Du musst hier drinnen schlafen. Wie willst du Mama und mich vor den Wölfen beschützen, wenn du woanders bist?«
Evangeline berührte Abigails schmale, angespannte Schultern. »Mr. Wainwright hat noch zu tun«, erklärte sie ruhig. »Und die Mauern dieses Hauses sind sehr dick.«
Abigail blieb jedoch beharrlich. »Du hast es versprochen, Scully«, erklärte sie in entschiedenem und vorwurfsvollem Ton und verschränkte die Arme vor der Brust, um ihm klar zu machen, dass sie sich nicht umstimmen lassen würde.
Scully seufzte. »Das stimmt«, gestand er. »Aber die Scheune ist ganz in der Nähe, Abigail. Niemand könnte dir etwas tun, ohne dass ich es hören oder sehen würde.«
Abigail schaute ihn nur mit vorwurfsvollem Blick an.
»Na schön«, gab Scully nach. »Du hast gewonnen. Aber jetzt habe ich noch einiges zu tun. Die Maultiere müssen in die Scheune gebracht und gefüttert werden.«
Endlich nickte Abigail. »Darf ich mein Pony sehen?«
Evangeline bedeutete ihrer Tochter,
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