Wenn das Glück dich erwählt
Tagen auch gar nichts.
Evangeline kochte und hielt das Haus sauber, lauter Dinge, die sie gerne tat, und gab Abigail die Lektionen in Lesen und Rechnen, die Rachel English vor ihrer Abreise aus Pennsylvania für sie vorbereitet hatte. Sie las und nähte, melkte die Kuh und fütterte die Hühner und sammelte die Eier ein. Und sie war zufrieden.
Viel zu schnell kam der November und überzog das Land mit Frost und Schnee. Sie hatten keine Wölfe und Indianer mehr gesehen, sodass Evangeline inzwischen fast überzeugt war, dass es so bleiben würde. Aber nur fast. Sie ließ Abigail auch nach wie vor nicht aus den Augen, wenn Scully nicht irgendwo in der Nähe war, um auf sie aufzupassen.
Eines frostigen kalten Morgens, als die Sonne schien und die Erde steif gefroren war, machte Scully den Vorschlag, gemeinsam auszureiten, da alle drei des ständigen Herumsitzens im Haus inzwischen überdrüssig waren.
Evangeline, die sich vor Pferden fürchtete, hätte vielleicht dankend abgelehnt, wenn Abigail nicht so entzückt gewesen wäre über den geplanten Ausflug - und Scullys Augen nicht so herausfordernd gefunkelt hätten.
»Also gut«, sagte sie ein wenig widerstrebend und nahm die selbst genähte Schürze ab. Sie hatte den ganzen Morgen gebacken, und trotz der einladenden Gerüche, die das ganze Haus erfüllten, war es unerträglich heiß und stickig in der Hütte.
Abigail hüpfte vor Freude auf und nieder, was die arme Hortense so erschreckte, dass sie sich in ihr übliches Versteck unter dem großen Bett zurückzog. Scully holte Abigails und Evangelines Umhänge und half ihnen, sie anzulegen, galant wie ein livrierter Diener, der sich anschickte, zwei elegante Damen zu ihrer Kutsche hinauszubegleiten.
Die Luft war kalt und trocken, aber wunderbar belebend. Scully ging voran zur Scheune, wo er den Hengst sattelte, der Stute aber nur ein Halfter anlegte. Er hatte Evangeline unter vier Augen anvertraut, dass das kleine Mädchen noch nicht bereit für einen Sattel war, und schien ganz offenbar zu glauben, dass sie - Evangeline - es auch nicht war.
Er hob Abigail mit großem Getue auf das Pferd, als bedeutete es eine enorme Anstrengung für ihn, und bildete dann aus seinen Händen einen Steigbügel, damit Evangeline aufsitzen konnte. Mit angehaltenem Atem setzte sie den Fuß in seine verschränkten Finger, zog sich hoch und landete so hart auf dem Pferderücken, dass sie es in allen Knochen spürte.
»Das ist... herrlich«, behauptete sie.
Scully reichte ihr die Zügel, und Evangeline nahm sie, nachdem sie Abigail in ihre Arme geschlossen hatte. »Du machst das gut«, sagte er. »Sehr gut.« Seine Worte mochten an Abigail gerichtet sein, aber er schaute ihre Mutter dabei an. Der Novemberwind zerzauste sein Haar, das mit Beginn des Winters etwas dunkler geworden war und dringend einen Schnitt benötigt hätte. Seine Haut war braun gebrannt, und er wirkte längst nicht mehr so hager und bekümmert wie nach seiner Verwundung, obwohl Evangeline wusste, dass er die Wunde oft noch spürte.
»Wohin reiten wir?«, wollte Abigail wissen, als Scully seinen großen Hengst bestiegen hatte.
Lächelnd deutete er auf das Land hinter den Obstbäumen. »Auf den Hügel dort. Ganz nach oben. Es ist ein hübscher Ausflug, und die Aussicht ist es wert.«
Evangeline hätte gern gefragt, wie weit es war, aber sie bewahrte Schweigen. Sie war keine begeisterte Reiterin und auch nicht besonders abenteuerlustig, aber sie wollte Scully und Abigail die Freude nicht verderben. Es lagen noch mehrere Wintermonate vor ihnen, und sie wusste nur zu gut, dass sie möglicherweise tage-oder sogar wochenlang im Haus festsitzen würden. Scully hatte von Schneeverwehungen gesprochen, die so tief waren, dass man Schneeschuhe tragen musste, um auch nur in die Scheune zu gelangen, und wenn ein Schneesturm drohte, war es üblich, ein Tau zu spannen zwischen Haus und Scheune, um den Weg hin und zurück zu finden. Es seien schon Menschen nur wenige Meter vor ihrer eigenen Tür erfroren, sagte er, weil der Wind so laut geheult hatte, dass die Leute im Haus die Hilfeschreie nicht gehört hatten.
Evangeline verdrängte diese bedrückenden Gedanken und nahm sich vor, den Ausflug zu genießen, obwohl ihre Füße bereits gefühllos waren und sie wusste, dass ihr Po in ein, zwei Stunden wund sein würde. Oder nach wenigen Minuten vielleicht schon.
Auf einem schmalen Pfad ritten sie hintereinander durch den Wald, nachdem sie an der halb zugefrorenen Quelle
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