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Wenn das Glück dich erwählt

Wenn das Glück dich erwählt

Titel: Wenn das Glück dich erwählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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Beine. »Geh ins Bett, Eve, und ruh dich eine Weile aus. Das ist das Beste, was du jetzt für Abigail tun kannst.«
    »Ich habe Angst, die Augen zu schließen«, bekannte sie gebrochen. »Ich wage nicht, auch nur eine Sekunde lang die Augen von ihr abzuwenden, für den Fall...«
    »Ich bin hier«, fiel Scully ihr ins Wort. »Ich werde über euch beide wachen. Falls Abigails Zustand sich verschlechtern sollte, wecke ich dich auf. Das schwöre ich dir, Eve.«
    Sie zögerte noch einen Moment und begriff dann, dass er Recht hatte, so sehr sie sich auch dagegen wehrte, und nickte zustimmend. Es kümmerte sie nicht mehr, dass Scully zusah, als sie ihre Schuhe und ihr Kleid auszog und sich mit ihrem Hemd, ihren langen Unterhosen und den wollenen Strümpfen zu Abigail unter die Decken legte.
    Hier zog sie ihre Tochter in die Arme, worauf das Kätzchen sich gekränkt einen neuen Platz zum Schlafen suchte, und schloss die Augen.
    Es war stockfinster, als sie erwachte, aber Scully war noch da und saß neben ihrem Bett. Sie konnte sein helles Haar im Dunkeln schimmern sehen. Abigail, die dicht an sie geschmiegt lag, strahlte noch immer große Hitze aus und atmete sehr schwer, aber es war wieder etwas Kraft in ihr, ein schwacher Abglanz ihrer alten Zähigkeit, und das ermutigte Evangeline.
    »Du hast die ganze Zeit hier gesessen?«, flüsterte sie Scully zu.
    Sie sah im Dunkeln seine weißen Zähne schimmern, als er grinste. »Ich bin ein paar Mal aufgestanden, um das Feuer im Kamin zu schüren.«
    Sie fühlte sich jetzt ausgeruht und in der Lage, mit dem Geschehen umzugehen. Vorsichtig, um sie nicht zu wecken, entfernte sie sich von Abigail, stand auf und zog ihr Kleid über. Ihr Haar hatte sich aus seinen Nadeln gelöst, während sie geschlafen hatte, und sie ließ es, wie es war, ungekämmt und offen, weil sie weder Zeit noch Energie darauf verschwenden wollte.
    »Du musst hungrig sein«, sagte sie zu Scully. »Und todmüde. Wie spät ist es?«
    »Gegen Mitternacht, vermute ich.«
    »Du kannst jetzt schlafen gehen«, sagte sie. »Oder ich kann dir auch etwas zu essen machen, wenn du willst.«
    »Ich könnte kein Auge zutun«, erwiderte er und stand auf, um die Lampe, die auf dem Tisch stand, anzuzünden. Dann blieb er am Tisch stehen und rieb sich den Nacken, als wüsste er nicht so recht, was er jetzt tun sollte. Er musste schon gegessen haben, weil er nichts auf ihr Angebot, ihm rasch etwas zurechtzumachen, erwidert hatte.
    »Ich werde dir ewig dankbar sein«, begann Evangeline. »Du warst so gut zu uns. Ich weiß nicht, was wir ohne dich getan hätten, Scully.« Oder was wir ohne dich anfangen sollen, wenn du nicht mehr bei uns bist...
    »Hier draußen helfen sich die Leute gegenseitig«, sagte er mit jener eigenartigen Schüchternheit, die ihn manchmal überfiel. »Ich bin nur freundlich, das ist alles.«
    »Nur freundlich«, stimmte sie zu. Aber sie vermutete, dass er das, was er gesagt hatte, genauso wenig glaubte wie sie selbst. Sie schaute auf Abigail hinab, sah, dass das Mondlicht durch eine Ritze in den Fensterläden drang und das Kind in seinen silbernen Schimmer tauchte. Diesmal, als sie ihre Tochter ansah, verspürte sie Frieden statt Panik. Sie deckte die Kleine noch sorgfältiger zu und legte eine Hand an ihre Stirn. Sie war noch immer warm, aber längst nicht mehr so heiß wie vorher.
    »Wie wäre es, wenn wir eine Partie Schach spielen würden?«, schlug Scully vor.
    Evangeline musste beinahe lachen. »Lass uns etwas Praktischeres tun, Scully«, versetzte sie. »Du brauchst einen Barbier. Ich meine, ich kann sehen, dass du dich rasierst - aber wann hast du dir zum letzten Mal die Haare schneiden lassen?« Haare schneiden war etwas ganz Alltägliches und genau die Art von Aufgabe, die Evangeline jetzt brauchte, um ihre Hände und Gedanken zu beschäftigen. Irgendein unsichtbarer Teil von ihr verweilte trotz allem jedoch bei Abigail, die ganze Zeit, selbst wenn sie etwas anderes tat, und wartete und wachte.
    Scully schien sich ein bisschen zu genieren. »Ich glaube, das war im letzten Frühjahr. Miss June-bug hat es mir geschnitten, bevor Big John und ich nach Süden aufgebrochen sind, um Rinder einzukaufen.«
    »Ich verstehe«, erwiderte Evangeline und betrachtete ihn prüfend. Er war einer der bestaussehenden Männer, die sie je gesehen hatte, aber ein guter Haarschnitt würde seine Attraktivität höchstens noch mehr zum Ausdruck bringen. »Nun, dann setz dich schon einmal dort drüben hin, ans Feuer. Ich

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