Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn das Herz im Kopf schlägt

Wenn das Herz im Kopf schlägt

Titel: Wenn das Herz im Kopf schlägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechtild Borrmann
Vom Netzwerk:
über die Stirn. »Ich dachte, dass Sie vielleicht was wissen. Klara meinte, Sie waren ja öfter mal da!«
    Rudenau sitzt ihm vis-à-vis auf dem kleinen Sofa. Er hat die Beine übereinandergeschlagen und die Hände mit verschränkten Fingern auf dem Knie abgelegt.
    Lüders weicht Rudenaus Blick aus. So setzt sich kein Mann hin, so nicht.
    »Meine Besuche bei Frau Behrens waren seelsorgerischer Art, Herr Lüders. Meines Wissens hatte sie auch nichts zu vererben. Den Behrensbesitz haben Sie doch auf Erbpacht erstanden.«
    Die Worte kommen freundlich, aber Lüders hört den Vorwurf. Immer wenn von dem Behrenshof die Rede ist, hört er den Vorwurf. Seit über dreißig Jahren lebt er nun schon dort, und immer noch reden alle von dem Behrenshof. Lüdershof muss es heißen. »Das haben wir damals vereinbart, die alte Behrens und ich, aber eben nur mündlich, verstehen Sie? Den Hof ... das ist schriftlich, aber die hinteren Wiesen und den Wald, da gibt’s nur das Versprechen.« Er rutscht noch weiter vor auf seiner Sesselkante. »Ich dachte, dass sie das vielleicht der Kirche ...«
    Plötzlich ist ihm klar, dass er das, was er wissen will, bereits erfahren hat. Er kippt seinen Oberkörper vor, stützt sein Gewicht auf den Stock und steht auf. »Ich muss dann mal wieder. Gleich Mittag!« Er überlegt, wie er das Haus verlassen kann, ohne diesem weibischen Kerl die Hand zu geben.
    Rudenau steht auf.
    Erstaunlich behände ist Lüders an ihm vorbei. »Ich finde schon raus!«
- 6 -
    Von der Landstraße biegt sie rechts ab in die schmale Pappelallee. Hundertzweiundzwanzig. Es sind einhundertzweiundzwanzig Bäume.
    Es war ein sonniger Tag, so wie heute. Sie wollten mit dem Bus in die Stadt. Es gab keine Haltestelle, aber wenn man sich an die Landstraße stellte, hielt der Bus aus Kranenburg. Sie hatte gequengelt, und da hatte Mama vorgeschlagen, die Bäume zu zählen. Sie rechts, Mama links. Zum Schluss war sie gerannt, immer darauf bedacht, ein bis zwei Pappeln vor Mama zu sein.
    Im Osten des Ortes ist ein großes Neubaugebiet entstanden. Hübsche Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften. Nicht zugehörig stehen sie da, angedockt an dieses Jahrhunderte alte Dorf, dass so rund und geschlossen daliegt wie eine Auster.
    Sie findet sich sofort zurecht. Bis zur Dorfmitte und am Bildstock mit dem Gekreuzigten nach links. Der Weg ist asphaltiert. Zu beiden Seiten drei Häuser. Wenn man sie passiert hat, sind dem Blick keine Grenzen mehr gesetzt. Mitten in dieser Ebene, auf einem angeschütteten Hügel, der den Hof vor Hochwasser schützen soll, liegt der Behrenshof umringt von Stieleichen. Der Weg, der wie ein kleiner Damm zwischen zwei Wassergräben entlangläuft, führt in einem großen Bogen zur Auffahrt des Hofes und dann weiter um den Hof herum. Sie hält vor der Auffahrt und steigt aus.
    Nach links geht ein Wirtschaftsweg ab. Die Fahrrinnen sind dort, wo der Regen den lehmigen Boden immer wieder wegschwemmt, mit zerschlagenen roten Dachziegeln aufgefüllt. Große rote Flecken auf dem Weg, der gut fünfhundert Meter weiter am Eichenwäldchen endet. Die Kate liegt davor und ist von hier aus nur im Winter zu sehen.
    Sie zieht die Zigarettenschachtel und das Feuerzeug mit einem Griff aus ihrer Jackentasche. Drei Versuche mit dem Feuerzeug braucht sie, bis die Zigarette brennt. Am Ende der Auffahrt, hinter dem verschlossenen Hoftor, kläfft ein Hund. Zwischen den Stämmen der Eichen sieht sie den Haussockel, den unteren Teil der Scheune und des Hoftores. Alles andere bleibt hinter den Eichen verborgen, aber sie muss keinen Blick darauf werfen. Die Fassade ist weiß gestrichen, die Fensterläden tannengrün und das Dach hat schwarze Schindeln. Daneben das große, braune Hoftor. Sie kennt es nur geöffnet, aber jetzt scheint es geschlossen. An der anderen Seite des Tors die Scheune und hinter dem Hof die Stallungen und der Gemüsegarten, in dem Oma mit eng zusammengestellten Füßen kleine Wege in die Erde zwischen Bohnen und Erbsen trampelte. Alle Gebäude in einem Halbkreis um den gepflasterten Hinterhof herum.
    Hinauffahren und die Schlüssel abholen. Nur die Schlüssel abholen. Sie atmet den Rauch gierig ein. Herr oder Frau Lüders werden öffnen. Oder vielleicht einer der Söhne. Nicht hineingehen! Nein danke, sehr freundlich, aber ich möchte nur die Schlüssel.
    Sie führt die Zigarette ein letztes Mal mit zittriger Hand zum Mund, wirft sie zu Boden und drückt die Kippe mit dem rechten Fuß tief in den lehmigen Boden des

Weitere Kostenlose Bücher