Wenn das Herz im Kopf schlägt
therapeutischer Behandlung. Nach gut vier Monaten begann sie zu reden. Sie erzählte von den Männern in jener Nacht. Margarete wandte sich an eine Psychologin, die ihr erklärte, dass Anna diese Geschichte erfinde, um ihre Liebe zum Vater zu schützen. Kinder verarbeiten das mit Hilfe ihrer Phantasie.
Margret hatte eingewandt, dass Anna doch gar nicht wisse, dass ihr Vater ihre Mutter getötet habe.
Sie wisse es intuitiv, hatte die Psychologin sie beruhigt.
Anna war während ihrer Kindheit und Jugend immer wieder in psychiatrischer Behandlung gewesen, war lange nicht von ihrer Geschichte abgerückt. Mit achtzehn hatte sie Zugang zu den Polizeiakten bekommen und es schien, dass sie nun akzeptierte, dass ihr Vater der Täter war.
Sie studierte, heiratete und bekam ein Kind.
Ihre Ehe scheiterte nach drei Jahren, sie beging mehrere Selbstmordversuche und entwickelte eine Phobie vor Menschen. Lena, ihre Tochter, kam in solchen Zeiten zu ihrer Tante, Margarete Lech. Wenn es Anna gut ging, lebte sie bei ihr. Anna sprach mit niemandem mehr über »ihre Behrensgeschichte«, nur mit ihrer Tochter. Das Kind übernahm früh die Verantwortung für den Haushalt und den Gesundheitszustand ihrer Mutter. Frau Lech war zwischenzeitlich in großer Sorge, weil Lena schon mit sieben Jahren alle Entscheidungen traf, auch wie lange ihre Mutter zu Hause bleiben konnte und wann es Zeit war, ärztliche Hilfe zu holen. Diesen Zeitpunkt schob sie immer weiter hinaus und betrachtete eine Einlieferung jedes Mal als ihr persönliches Versagen. 1992 hatte Anna ihren letzten Zusammenbruch, dann schien sie sich endlich zu stabilisieren.
Bis zum Frühjahr 2000, als sie das Erbe ihrer Großmutter antrat. Sie fand Briefe ihrer Mutter und in der Dorfkapelle in Merklen, als sie das Grab der Magdalena Behrens besuchte, einen Gemeindebrief mit einem Foto des Schützenvereins. Die Männer auf dem Bild waren älter, aber sie war sicher, dass es die Männer waren, die sie damals gesehen hatte. An Lüders (Onkel Ludwig) konnte sie sich jetzt auch aus der Zeit vor dem Tod der Mutter erinnern. Die anderen Namen standen unter dem Foto. Wieder sprach sie nur mit ihrer Tochter über ihren Fund.
Im Sommer 2000 kam es zum Eklat zwischen Lena und ihrer Mutter. Anna Behrens wollte, dass Lena ihr Studium in einer anderen Stadt antreten sollte. Sie sollte ihr eigenes Leben in die Hand nehmen. Lena hatte Geschirr zerschmissen und immer wieder geschrien: »Du brauchst mich, du kannst nicht ohne mich leben. Du darfst mich nicht wegschicken!«
Nach gut einer Woche schien sie sich gefangen zu haben und bewarb sich um einen Studienplatz in Nimwegen. Alles schien in bester Ordnung. Sowohl Anna Behrens als auch Margarete Lech hatten den Eindruck, dass Lena sich auf ihr Studium freute.
Montag, 19. März 2001
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Vorläufige ärztliche Stellungnahme
Patientin: Magdalena Koberg, geb. 04.09.1978, z. Zt. Psychiatrische Klinik Duisburg, geschlossen untergebracht.
Vorläufige Diagnose. Endogene Psychose, vermutlich ausgelöst durch den Konsum von Amphetaminen.
Frau Koberg ist sich ihrer Taten bewusst, kann sie bis ins Kleinste beschreiben und ist der Meinung, dass sie nur für Gerechtigkeit gesorgt habe. Sie zeigt z. Zt. weder Einsicht noch Reue.
Eine Medikation ist vorgenommen.
Die Wirksamkeit dieser Maßnahme ist abzuwarten.
Frau Koberg stellt die Ereignisse wie folgt dar:
Die Polizei habe ihre Pflicht nicht erfüllt, aus diesem Grund sei ihre Mutter erkrankt (die Mutter leidet seit ihrer Kindheit an Depressionen und einer Sozialphobie) und bis heute nicht genesen. Sie ist weiterhin festen Glaubens, dass sie die Taten für ihre Mutter begangen hat. Diese habe sie weggeschickt und sie habe das lange nicht verstanden. Als ihre Mutter ihr »die Mörder ihrer Großmutter« auf einem Foto gezeigt habe, sei ihr klar geworden, warum sie gehen müsse.
Nach den Schilderungen der Patientin ergibt sich folgendes Bild:
Man kann davon ausgehen, dass Lena Koberg sich im Sommer 2000 gezielt an der Universität Nimwegen bewarb. Zu diesem Zeitpunkt konsumierte sie bereits Amphetamine als Appetitzügler. Sie fühlte sich bei einer Größe von 182 cm und einem Gewicht von 76 kg zu dick. Bereits nach drei Monaten in Nimwegen fand sie eine Wohnung in Merklen und zog um. Sie bewarb sich in der Firma Jansen um ein Praktikum als Steinmetz. Sie erklärte Herrn Jansen, sie würde Kunst studieren mit dem Schwerpunkt Bildhauerei, könne aber an der Universität nur wenig praktisch
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